Planar, Ultron, Skoparex aus Singapur

Voigtländer & Rollei: Legendäre M42-Objektive aus Singapur

50 mm Color-Ultron, 35 mm Color Skoparex und 50 mm Planar aus der Produktion von Rollei Singapur. Foto: bonnescape.de

Das 2.8/35 mm Color-Skoparex und die beiden 1.8/50er Color-Ultron und Rollei-HFT Planar: Das hier gezeigte Objektiv-Trio gehört zum qualitativ Besten, das man an eine M42-Kamera schrauben kann. Und zugleich markieren die drei Sahnestücke eine spannende Phase in der westdeutschen Fotoindustriegeschichte. 

Durch Insolvenzen, Übernahmen, Kooperationen und die gemeinsame Herausforderung, im Wettbewerb mit den japanischen Kameraherstellern zu bestehen, waren Zeiss, Voigtländer und Rollei in den 1960er- und 70er-Jahren miteinander verflochten. Voigtländer war seit 1956 ein Tochterunternehmen der Zeiss Ikon, dem Kamerabereich des Zeiss-Konzerns. Wirtschaftliche Probleme führten 1971 zur Schließung des Kamera-Werks. Teile der Technik und Patente gingen zusammen mit den Voigtländer-Namensrechten an Rollei. In Kooperation mit Zeiss produzierte Rollei fortan zwei technisch ähnliche Kleinbild-SLR-Baureihen mit den Bezeichnungen Voigtländer VSL und Rollei SL35. Dabei war die VSL1 die unmittelbare Fortsetzung der Zeiss Ikon SL706. Dazu fertigte Rollei zwei parallel vermarktete, qualitativ hochwertige Objektiv-Linien nach Zeiss-Rechnungen. Bei der einen wurden die bekannten Zeiss-Markennamen verwendet, die andere wurde nach den klassischen Voigtländer-Marken benannt. Es besteht ein begründeter Verdacht, dass die Serien weitgehend baugleich waren.

Die Voigtländer VSL1 TM in Schwarz und in Silber, hergestellt von Rollei in Singapur. Foto: bonnescape.de

Oben: Zweimal die Voigtländer VSL1 TM, hinten die Ausführung in Silbergrau (Serien-Nr. 50015xx, Typbeschriftung berieben) und vorn die schwarz lackierte Variante (Serien-Nr. 17587xx). Das hintere Exemplar gehört offensichtlich zu den wenigen, die vor der Verlagerung nach Singapur noch in Deutschland gebaut wurden. Die verschiedenartigen Gravuren an der Bodenplatte der Kamera lassen vermuten, dass es sich noch um ein Bauteil der SL706 oder der Icarex handelte, bei dem das "by Rollei" nach der Übernahme dazugraviert wurde.

Spitz zulaufende Glasfassade, aufgenommen mit 2.8/35 mm Color-Skoparex und Nikon Z7. Foto: bonnescape.de

Oben: Das 35 mm Voigtländer Color-Skoparex setze ich gern für Architekturfotografie ein. Es zeichnet scharf, detailreich und nahezu ohne Verzeichnung bis in die Bildecken. Es gibt eine moderate Eckenabdunklung, die sich bei Motiven, bei denen sie unerwünscht ist, leicht herausrechnen lässt, sofern die Verarbeitung digital oder hybrid erfolgt. Aufnahme mit Kiwi-Adapter an der Nikon Z7. Blende 11. Klick aufs Bild zum Vergrößern.

Westdeutsche Objektive made in Singapore

Um Kosten zu senken, verlagerte Rollei 1972 einen Teil der Produktion nach Singapur in ein neu errichtetes, technisch modern ausgestattetes Werk. Die dort unter Zeiss-Lizenz hergestellten Objektive gelten als qualitativ gleichwertig zu denen aus deutscher Produktion: Metallfassungen, präzise Mechanik, Fokus- und Blendenringe mit markant gefrästen Längsriffelungen, exzellente Glasqualität. Die drei Objektive, die ich hier vorstelle, sind repräsentative Beispiele für diese Produktionsphase. Ihre Herkunft verraten sie durch die an der Anschlussseite angebrachte Gravur „Made in Singapore“. 

Rechts: Gegenlichtsituationen und hohe Kontraste meistert das Color-Skoparex ohne Überstrahlungen und Farbsäume. Nikon Z7. Palais im Park, Botanischer Garten, Flora Köln.
Klick aufs Bild zum Vergrößern.

Treppenhaus im Palais im Park, Flora Köln, aufgenommen mit 2.8/35 mm Color-Skoparex und Nikon Z7. Foto: bonnescape.de

Anschlussvarianten: QBM – TM (M42) – AR

Passend zu den SL- und VSL-Kameras wurden die meisten Objektive mit dem QBM (Quick Bayonet Mount) ausgeliefert. Die Voigtländer VSL1 gibt es aber auch in der Variante TM (thread mount), d.h. mit M42-Gewinde. Für diese Kamera wurde eine kleinere Zahl der Singapur-Objektive mit Gewindeanschluss gefertigt. Das sind die, die dank ihrer breit gefächerten Kompatibilität heute besonders interessant sind für eine Verwendung mit analogen M42-Kameras oder spiegellosen Digitalkameras. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass es ab der zweiten Hälfte der 1970er Jahre auch noch Folgeserien gab, die äußerlich an ihrem vereinfachten Fassungs- und Gehäusedesign mit kreuzgeriffelten Kunststoffringen zu erkennen sind. Dabei stößt man auch auf das Kürzel "AR", das angeblich für "Aktuelle Reihe" stehen soll. Spätestens mit dem wirtschaftlichen Niedergang von Rollei Anfang der 1980er-Jahre wurde deren Produktion an japanische Hersteller (z.B. Mamiya) ausgelagert. Man findet diese Objektive sowohl mit M42, als auch mit QBM und mit einem etwas abgewandelten AR-Bajonett. Ab Mitte der 80er-Jahre zog sich Rollei zunehmend aus dem für das Unternehmen defizitären Kleinbildgeschäft zurück und konzentrierte sich fortan wieder auf Mittelformatkameras.* Der Name Voigtländer blieb in der Zeit nach 1985 weitgehend ungenutzt, bis Ringfoto und Cosina ihn ab 1999 für eine neue Linie manueller Premium-Objektive wiederbelebten. Aber das ist eine andere Geschichte.

* Ich beschränke mich hier auf eine verkürzte Darstellung, da es zu dem Thema bereits viel Literatur gibt.
Einige empfehlenswerte Quellen habe ich unter diesem Artikel zusammengestellt.

Gegenlichtaufnahme Hausdach mit 1.8/50mm Rollei HFT-Planar an der Nikon Z7. Foto: bonnescape.de

Oben: Beim 50 mm Rollei HFT Planar wird bei bildrandnahen Linien eine leicht tonnenförmge Verzeichnung sichtbar. Das Planar zeichnet scharf und detailreich. Es gibt keine Eckenabdunklung und keine CAs an Hochkontrastkanten. Beachtlich ist auch das extrem gute Reflexverhalten, das vermutlich der hochwertigen HFT-Vergütung zu verdanken ist. Aufnahme mit Kiwi-Adapter an der Nikon Z7. Blende 11. Klick aufs Bild zum Vergrößern.

Unten: Knackige Detailzeichnung auch im Nahbereich bei offener Blende und gleichmäßiges Bokeh beim 50 mm Color-Ultron, Voigtländer VSL1 TM auf Kodacolor 200.

Nahaufnahme Spinnennetz in einer Wegeleuchte mit sanftem Bokeh, Voigtländer Color-Ultron 1.8/50mm an VSL1 TM auf Kodacolor 200. Foto: bonnescape.de

Planar – Ultron – Skoparex

Zurück zu den hochwertigen ersten Objektivserien aus Singapur. In der Literatur findet man widersprüchliche Angaben zu den Bauzeiten. Daher spare ich mir diese hier und beschränke mich auf ein ungenaues "Mitte der 1970er Jahre". Drei M42-Exemplare mit dieser Provenienz habe ich hier im Fundus und setze sie regelmäßig mit analogen Kameras sowie per Adapter an der Nikon Z7 ein: 

  • Das Voigtländer Color-Skoparex 2.8/35 mm,
    defacto ein Zeiss Distagon und baugleich mit dem entsprechenden Rollei-HFT Distagon, ist ein optisch gut auskorrigiertes Weitwinkelobjektiv mit sehr guten Abbildungseigenschaften und präzise gefertigter Metallfassung. Das Objektiv ist laut Bedienungsanleitung der VSL1 ein Fünflinser (5/5). In der Literatur finden sich aber auch Hinweise, dass es sich um einen 6/6-Linser handeln soll. Die Blende wird aus sechs Lamellen gebildet und umfasst die Werte 2,8 - 22.  Fokussierung ab 0,4 m. Filtergewinde 49 mm, Gewicht 205 g.
  • Das Voigtländer Color-Ultron 1.8/50 mm ist äußerlich und technisch nahezu identisch mit dem Planar. Die Bildwiedergabe unterscheidet sich von der des Planar nur durch eine geringfügig wärmere Nuance. Die technischen Daten entsprechen denen des Planar: Siebenlinser (7/6). Blende 1,8 - 16 mit sechs Blendenlamellen. 
    Fokussierung ab 0,45 m. 49 mm Filtergewinde,
    Gewicht 190 g.
  • Das Rollei Planar-HFT 1.8/50 mm ist ein lupenreines Zeiss Planar mit der Rollei-eigenen HFT-Mehrschichtvergütung (High Fidelity Transmission). Inwieweit diese optisch der T*- Vergütung von Zeiss entspricht, ist umstritten, markenrechtlich ist sie jedenfalls eigenständig. Das massiv gefertigte Standardobjektiv überzeugt mit hoher Schärfeleistung, neutralem Rendering und sanftem Bokeh. Bei dem Planar handelt es sich um einen Siebenlinser (7/6). Die Blende reicht von 1,8 - 16 und wird aus sechs  Lamellen gebildet. Fokussierung ab 0,45 m. Filtergewinde 49 mm, Gewicht 191 g.

    Da das Planar vor allem für die SL35-Serie gedacht war, sind Exemplare mit M42-Anschluss rar. Manchen Quellen zufolge waren sie nur angedacht, wurden aber niemals produziert. Mein Exemplar ist der Gegenbeweis.

Rollei gab auch noch ein achtlinsiges 2.8/25 mm Weitwinkelobjektiv heraus, dass unter der Bezeichnung Rollei-HFT Distagon und parallel als Voigtländer Color-Skoparex vermarktet wurde. Die zur VSL1 TM erhältlichen Teleobjektive liefen unter der einheitlichen Typenbezeichnung Color-Dynarex. Konstruktiv verbergen sich dahinter ein 2.8/85 mm Sonnar und zwei Tele-Tessare 4.0/135 mm und 4.0/200 mm. 

Voigtländer Color-Skoparex 2.8/35 mm mit der Fujica ST705. Foto: bonnescape.de

Oben: Voigtländer Color-Skoparex 2.8/35 mm mit der Fujica ST705. Die Belichtungsmessung erfolgt bei Arbeitsblende.

Voigtländer Color-Ultron 1.8/50 mm an  der Voigtländer VSL1 TM. Foto: bonnescape.de

Oben: Das Voigtländer Color-Ultron 1.8/50 mm an  der Voigtländer VSL1 TM. Die Kamera bietet Blendeneinspiegelung und Offenblendmessung, aber nur mit diesen Objektiven, die für sie gebaut wurden. Fujica-Objektive lassen sich wegen dem Blendennocken nicht bis zur Nullstellung einschrauben.

Rollei-HFT Planar 1.8/50 mm mit einer Praktica MTL50. Foto: bonnescape.de

Oben: Rollei-HFT Planar 1.8/50 mm mit einer Praktica MTL50. Messen und Abblenden zugleich mit der schwarzen Kunststofftaste oberhalb des Auslösers.

Voigtländer Color-Skoparex 2.8/35 mm mit Kiwi-Adapter an der Nikon Z7. Foto: bonnescape.de

Oben: Voigtländer Color-Skoparex 2.8/35 mm mit Kiwi-Adapter an der Nikon Z7. Die Kamera unterstützt die Verwendung von "Altglas" mit leistungsfähigen Funktionen wie Lupe und Bildstabilisierung.

Nicht kompatibel: Voigtländer Color-Skoparex 2.8/35 mm an der Pentax ES. Foto: bonnescape.de

Oben: M42 und doch nicht kompatibel! An der Pentax ES und wohl auch an anderen Spotmatic-Modellen verhindert die Abblendmechanik der Kamera ein vollständiges Einschrauben dieser Objektive.


Vergleichsaufnahmen mit Rollei-HFT Planar 1.8/50 mm (links) und dem Voigtländer Color-Ultron 1.8/50 mm (rechts). Nikon Z7. Fotos: bonnescape.de

Oben: Die Bildbeispiele mit dem Rollei-HFT Planar 1.8/50 mm (links) und dem Voigtländer Color-Ultron 1.8/50 mm (rechts) zeigen eine exzellente Bildqualität. Das Ultron zeichnet eine winzige Nuance wärmer als das Planar.

Erste Reihe digitales Vollformat, zweite Reihe Crop der Digitalaufnahme. Z7, aus der Hand, 1/1250 Sek. Blende 8.
Unten: Dritte Reihe mit Voigtländer VSL1 auf Kodacolor 200, vierte Reihe Bildausschnitt der Analogaufnahme. 6 Megapixel-Scan.

Vergleichsaufnahmen mit Rollei-HFT Planar 1.8/50 mm (links) und dem Voigtländer Color-Ultron 1.8/50 mm (rechts). Voigtländer VSL1 TM mit Kodacolor 200. Fotos: bonnescape.de
Hohe Detailwiedergabe mit dem Rollei HFT-Planar 1.8/50 mm an der Nikon Z7. Foto: bonnescape.de

Oben: Bemerkenswert, wie gut das 50 Jahre alte Planar mit seiner Detailzeichnung auch den hochauflösenden 40MP-Sensor der Nikon Z7 bedient. 100% Crop links vom Fuß der Standleuchte.

Landschaftsfotografie mit Retro-Look. Voigtländer Color-Ultron 1.8/50 mm an der VSL1 TM auf Kodacolor 200. Foto: bonnescape.de

Oben: Bilder mit Retro-Look. Das 50 mm Color-Ultron an der Voigtländer VSL1 TM mit Kodacolor 200.

Copyright 2025 by Klaus Schörner / www.bonnescape.de


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Kommentare: 3
  • #1

    Kai (Samstag, 25 Oktober 2025 20:28)

    Hallo
    ich habe so eine Voigtländer VSL1 von meinem Opa geerbt. Es scheint zu funktionieren, aber die Lichtmessung geht nicht. Welche Batterie muss da rein?
    Danke

  • #2

    Klaus (admin) (Sonntag, 26 Oktober 2025 09:33)

    Hallo Kai,
    die VSL1 ist für 1,35 Volt Quecksilberbatterien des Typs PX625 vorgesehen. Die sind aber seit 2015 nicht mehr erhältlich. Preiswerte Alternativen sind Zink-Luft-Batterien des Typs 675, die ebenfalls 1,35 bzw. 1,4 Volt Spannung aufweisen. Die sind im Durchmesser aber 3 mm kleiner, so dass sie im Batteriefach zuviel Spiel haben. Entweder bastelt man sich einen Abstandhalter oder man besorgt sich für wenige Euros einen Adapterring. Ich habe solche Ringe bei Aliexpress gekauft. In den Adapter passt auch eine LR44 oder SR44, die haben aber 1,5 Volt, insofern rate ich davon ab. Es gibt allerdings auch Adapter mit eingebauter Diode, die die Spannung auf 1,35 Volt senken. Vorteil einer solchen Lösung wäre die längere Batterielaufzeit. Zink-Luft-Batterien halten nur einige Monate.
    VG, Klaus

  • #3

    Vanessa (Dienstag, 28 Oktober 2025 10:41)

    Hi,
    man denkt immer, bei M42 gibt es x Kombimöglichkeiten und alles passt und ist kompatibel. Dass dem nicht so ist, ist für mich die größte Überraschung dieses Artikels.
    Dank und LG aus Karlsruhe
    V