Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM

Praxistest: VOIGTLÄNDER Heliar 3,5/50 mm VM

Test und Erfahrungsbericht VOIGTLÄNDER Heliar 3,5/50 mm VM, Blick auf die Blendenlamellen, Foto: Klaus Schoerner

Ich habe durchaus ein Faible für Produkte, die moderne Technik mit klassischem Design verbinden. Und so bin ich einigermaßen gespannt darauf, das Heliar 3,5/50 mm VM aus der Classic Linie von VOIGTLÄNDER zu testen. Mit seinem Vintage-Design hebt sich das Heliar deutlich von der gängigen Formensprache ab und erinnert vielmehr an Objektivklassiker der frühen Fotogeschichte. In seiner optischen Konstruktion soll das Objektiv indes neuesten Erkenntnissen der Objektivbaukunst folgen.

Der erste Eindruck ...

... ist vielversprechend. Ich öffne die Verpackung und blicke auf ein Schmuckstück aus Glas und Metall, das in hochglänzendem Chrom und edlem Mattschwarz gehalten ist. Wunderschön. Das Heliar hat keine dieser üblichen zylindrischen Objektivfassungen, sondern wirkt geradezu filigran konstruiert aus Ring- und Kegelformen, konischen Vertiefungen und mit feiner Zahnung gerändelten Drehringen. Die Lichtstärke von 3,5 ermöglicht eine kompakte, sich nach vorn verjüngende Bauweise mit einer winzigen Frontlinse und einem kleinen 27 mm Filtergewinde. Das Erscheinungsbild des Objektivs weckt in mir Assoziationen von edler Manufakturqualität und Produkten feinster Güte in geringen Stückzahlen. Lediglich das profane dünne Plastiktütchen, in dem das Heliar innerhalb seiner Styroporform verpackt ist, stört den Eindruck ein wenig. Da wäre in meinen Augen ein Beutel aus Leder oder Samtstoff oder ein weiches Einschlagtuch aus Mikrofaser stimmiger gewesen. Neben der ansonsten tadellosen Verpackung hätte dies die Wertigkeit unterstrichen und dem Kunden die besondere Wertschätzung des Herstellers gegenüber dem eigenen Produkt signalisiert.

Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Seitenansicht, Foto: Klaus Schörner

Oben: Wie eine klassische Optik aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts: Das VOIGTLÄNDER Heliar 3,5/50 mm VM.

Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, das Heliar an der LEICA M9, Foto: Klaus Schörner

Oben: Das Vintage-Design wirkt auch an einer digitalen LEICA dekorativ und weckt Interesse daran, was das Heliar an optischen Qualitäten zu bieten hat.

Die historischen Wurzeln des Heliar

Die vergleichsweise geringe Lichtstärke ist für ein 50mm Objektiv mit Kleinbild-konformem Bildkreis heutzutage ungewöhnlich, orientiert sich aber an historischen Vorbildern aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Die Konstruktion und Entwicklung des Heliar soll bis in das Jahr 1900 zurückreichen. Ab 1902 wurden Heliare für Großbildkameras bis zum Aufnahmeformat 12x16,5 cm, in Stereo-Plattenkameras und ab Mitte der 1920er Jahre auch für unterschiedliche Bauformen von Rollfilmkameras eingesetzt (*). Die Heliar-Klassiker verfügten über eine Lichtstärke von 4,5 oder 3,5 und sollen besonders gern von Portrait-Fotografen verwendet worden sein, da sich der fünflinsig konstruierte Objektivtyp bei offener Blende durch eine besonders weiche Bildwiedergabe auszeichnete. Als 50mm-(Normal-)Objektiv für Kleinbildfilm trat das Heliar historisch nur selten in Erscheinung. Kleinbildkameras von VOIGTLÄNDER wurden in den 1950er bis 60er Jahren zumeist mit Heliar-Weiterentwicklungen wie dem Lanthar oder mit vierlinsigen Tessar-Bauformen wie dem Skopar ausgestattet, die mit höherer Lichtstärke und gesteigerter Scharfzeichnung den Anforderungen des Marktes besser entsprachen. Mit fortschreitender Entwicklung prägten dann zusätzlich Lichtriesen wie das Ultron und das Nokton den wachsenden Spiegelreflexmarkt. Heute vertreibt das Unternehmen VOIGTLÄNDER wieder einige Objektive mit dem Namen Heliar für Kleinbild- und Digitalkameras, die mit M- und E-Anschlüssen ausgestattet sind. Das Lizenzrecht an dem Namen Heliar liegt heute teilweise bei dem japanischen Unternehmen COSINA, aus dessen Produktion seit Beginn dieses Jahrtausends eine ganze Reihe hochwertiger Objektive mit großen Namen der deutschen Fotogeschichte hervorgegangen ist.

(Kadlubek's Camera Catalogue, 4.Aufl., Neuss 2000, pp.625-639

sowie Kadlubek's Lens Catalogue, 1. Aufl., Neuss 2000, pp.158-162)

Das Heliar 3,5/50 mm VM in der Praxis

Das Heliar ist mit einem M-Bajonett ausgestattet und lässt sich daher auch an meine LEICA M9 ansetzen. VOIGTLÄNDER, aber auch NOVOFLEX und einige andere Hersteller bieten zudem Adapterringe an, die einen Anschluss an Kameras mit E- und MFT- (Micro Four Thirds) Bajonetten ermöglichen. Beim Montieren des Heliar zeigt eine kleine rote Markierung den Ansetzpunkt an. Da fast der gesamte Tubus drehbar gelagert ist, hält man das Objektiv beim Montieren am besten an dem sogenannten Schärfenbereichsring, der direkt vor dem Bajonett liegt. Darauf weist auch die Bedienungsanleitung ausdrücklich hin. Wie bei Kleinbild-Objektiven aus den 1950ern ist dieser Ring ebenso wie der Blendenring und der Fokussierring mit einer sehr griffigen, fast schon ein wenig zu scharfzahnigen Rändelung ausgestattet. Dies und der große Abstand der Ringe voneinander gewährleistet beim Fotografieren eine verwechslungsfreie Bedienung, während sich das Auge am Sucher befindet.

Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Objektivmontage, Foto: Klaus Schörner

Oben: Zum An- oder Abmontieren hält man das Heliar am Schärfenbereichsring, da alle weiter vorn liegenden Komponenten drehbar gelagert sind.

Beim Drehen des Fokussierrings dreht sich der gesamte vordere Teil des Objektivs einschließlich des Blendenrings mit. Um die Blende ablesen zu können, muss also erst geprüft werden, auf welcher Position sich der Nullpunkt gerade befindet. Umgekehrt dreht sich beim Drehen des Blendenrings auch der Fokussierring mit, sofern er nicht mit einem oder zwei Fingern in Position gehalten wird. Es empfiehlt sich also, zunächst die Blende vorzuwählen und dann die Entfernung einzustellen. Alternativ habe ich mir beim Fotografieren mit dem Heliar angewöhnt, die Blende mit dem linken Zeigefinger und den Fokussierring mit Daumen und Mittelfinger zu bedienen. Damit gelingt es recht gut, die Ringe unabhängig voneinander zu bewegen. Beide Ringe drehen sich mit einer leichten Hemmung nicht zu leicht und nicht zu schwergängig. Sehr wertig wirkt das. Das Öffnen und Schließen der zehn Blendenlamellen erfolgt dabei stufenlos, das heißt ohne Rastung. Das hat historischen Charme, ist mir aber fast schon etwas zu viel Vintage, wenn es um das praktische Fotografieren geht. Immerhin werden sich die Filmer über das geräuschlose Einstellen der Blende freuen.

Die Abstimmung zwischen der Objektiv-Fokussierung und dem Messsucher der M9 arbeitet ohne Abweichungen. Bei 70 cm Entfernungseinstellung ist das fokussierte Objekt auch 70 cm entfernt und das Messsucherfeld der M9 zeigt ebenfalls diesen Punkt als scharf an. Die Übertragung der eingestellten Blende in die Metadaten der Bilddateien funktioniert dagegen nicht ganz so exakt. Auch wenn die Blende bei der Aufnahme präzise auf die Markierung eingestellt war, weisen die Metadaten mitunter Blendenwerte aus, die 1/2 oder 2/3 Stufen unter oder über den tatsächlichen Werten liegen. 

Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Bedienung von Blendenring und Fokussierring, Foto: Klaus Schörner

Oben: So gelingt das Drehen von Blendenring und Fokussierring, ohne dass sich der jeweils andere mitdreht: Daumen und Mittelfinger halten oder drehen den Fokussierring, während der Zeigefinger zum Einstellen der Blende dient.

Mit einem Bildwinkel von 46° bildet das Heliar geringfügig enger ab als andere 50 mm Objektive für Kleinbild- bzw. Vollformatkameras (zumeist 47°). Die kürzestmögliche Naheinstellung liegt bei 70 cm, was bei Objektiven für Messucherkameras als gängig angesehen werden kann. Aufgrund seiner geringeren Lichtstärke und der filigranen Konstruktion ist das Heliar mit 187g ein Leichtgewicht. Zum Vergleich: Summicron-M und Planar ZM bringen 240g bzw. 230g auf die Waage. Die Baulänge des Heliar beträgt 43,2 cm, dennoch findet aufgrund des geringen Frontdurchmessers keine nennenswerte Abdeckung des Sucherbildes meiner M9 statt. Bei Nahfokussierung dreht sich das Heliar weiter heraus und ragt erst dann und mit aufgesetzter Gegenlichtblende geringfügig in den 50 mm Bildrahmen des Suchers hinein. Ich kann darin keine Beeinträchtigung erkennen.

Die Skalenbeschriftung des Heliar bildet auf dem Blendenring die Blendenwerte von 3,5 bis 22 ab, auf dem Fokussierring eine ausschließlich metrische Entfernungsskala und auf dem zugeordneten Schärfenbereichsring Strichmarkierungen und Blendenzahlen, die für das Arbeiten mit Hyperfokaldistanzen gedacht sind. Die Beschriftung ist bei flächigem oder indirektem Licht gut ablesbar. Bei Kunstlicht oder unter direkten Lichtquellen kann die Lesbarkeit allerdings beeinträchtigt sein, weil die verchromten Ringe spiegeln und die Beschriftung in kleiner Schriftgröße zart schwarz ausgelegt ist. Vielleicht wäre ein Finishing in Matt-Chrom praktischer gewesen, ohne dem Heliar damit allzu viel von seinem Vintage-Charakter zu nehmen. Insgesamt scheint mir das Objektiv weniger für eine Einstellung nach Skalen, Blendenwerten und Schärfebereichen ausgelegt zu sein, sondern eher für eine intuitive Bedienung, während sich das Auge am Kamerasucher befindet und das Ergebnis der Einstellungen dort überwacht.

Welche Bildqualität liefert das Heliar?

Die Testfotos wurden mit der M9 mit Belichtungsautomatik und automatischem Weißabgleich, aber ohne Zuweisung eines kamerainternen Korrekturprofils aufgenommen. Bei den Bildserien zum Vergleich der Scharfzeichnung bei unterschiedlichen Blenden war die Kamera auf einem Stativ befestigt, die anderen Fotos wurden aus der Hand aufgenommen. Das Heliar wurde ohne aufgesetzte Filter eingesetzt.

Vignettierung: Blendenwerte von 3,5 bis 5,6 führen zu einer sichtbaren Vignettierung, die unkorrigiert bei manchen Motiven stören kann. Bei Blende 8 werden nur noch die Bildecken geringfügig abgedunkelt, ab Blende 11 spielt Vignettierung bei diesem Objektiv keine Rolle. Lichtabfall an den Bildrändern und -ecken ist allerdings heutzutage ein Kriterium, dass man nicht überbewerten sollte. Zum einen folgt die Rand- und Eckenabdunkelung physikalischen Gesetzmäßigkeiten, gerade bei kurzen Brennweiten und geringen Distanzen zwischen Objektiv und Sensor, wie es bei Messucher- und spiegellosen Kameras der Fall ist. Zum anderen kann dieses Phänomen durch kamerainterne Korrekturprofile oder während der Nachbearbeitung mit geringem Aufwand verlustfrei behoben werden, sofern man im Raw Modus fotografiert. 

Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Vignettierung bei verschiedenen Blenden, Foto: bonnescape

Oben: Beispiele zur Rand- und Eckenabdunklung bei verschiedenen Blendenwerten. Die enge, trichterförmige Gegenlichtblende ist übrigens unschuldig an der Vignettierung. Ob sie aufgesetzt oder abgeschraubt ist, ändert nichts an der Abdunkelung.

Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Burg bei Offenblende, Foto: bonnescape

Oben und unten: Die Ansichten wurden mit Blende 3,5 (oben) und mit Blende 8 (unten) aufgenommen. Das mit offener Blende erstellte Foto gibt die Bildränder dunkler wieder, was jedoch bei diesem Motiv nicht stört und erst im direkten Vergleich zu der zweiten Aufnahme auffällt.

Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Burg bei Blende 8, Foto: bonnescape

Scharfzeichnung: Das Heliar liefert bereits bei offener Blende eine sehr gute Schärfeleistung über das gesamte Bildfeld. Diese lässt sich mit Abblenden auf 5,6 und 8 sogar noch etwas steigern. Ab Blende 16 lässt die Detailschärfe etwas nach, das Bildergebnis bei Blende 22 ist sehr weich, wohl eine Folge der üblichen Beugungsunschärfe bei geringer Blendenöffnung.

Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Burg, 100%-Crop bei Blende 3,5, Foto: Klaus Schörner
Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Burg, 100%-Crop bei Blende 5,6, Foto: Klaus Schörner
Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Burg, 100%-Crop bei Blende 8, Foto: Klaus Schörner
Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Burg, 100%-Crop bei Blende 11, Foto: Klaus Schörner
Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Burg, 100%-Crop bei Blende 16, Foto: Klaus Schörner
Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Burg, 100%-Crop bei Blende 22, Foto: Klaus Schörner

Oben: Belichtungsreihe mit variierenden Blendenwerten. Die 100%-Crops sind Ausschnitte aus der Bildmitte des Burgmotivs oben. Fokussiert wurde auf das rechte vergitterte Fenster (defacto auf Unendlich). Bereits bei Offenblende 3,5 liefert das Heliar eine sehr gute Schärfeleistung, die bei Abblenden auf 5,6 und 8 sogar noch etwas gesteigert wird. Die Details im Niedrigkontrast-Bereich in der Ausschnittmitte werden erkennbar herausgelöst. Oberhalb von Blende 11 ist wieder ein Verlust an Detailschärfe zu sehen, das Bildergebnis bei Blende 22 ist sehr weich, bei vollständig geschlossener Blende verschwimmen in der Ausschnittmitte die Binnenformen.

Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Interieur, Gesamtansicht, Foto: bonnescape
Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Interieur, 100%-Crop bei Blende 3,5, Foto: bonnescape
Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Interieur, 100%-Crop bei Blende 5,6, Foto: bonnescape
Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Interieur, 100%-Crop bei Blende 8, Foto: bonnescape
Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Interieur, 100%-Crop bei Blende 11, Foto: bonnescape
Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Interieur, 100%-Crop bei Blende 16, Foto: bonnescape
Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Interieur, 100%-Crop bei Blende 22, Foto: bonnescape

Oben: Hier noch eine Belichtungsreihe mit Ausschnitten aus dem Interieurfoto oben bei variierenden Blendenwerten. Die 100%-Crops wurden der Bildmitte und dem äußerst rechten Rand entnommen. Mir war daran gelegen, mit Hilfe dieses dreidimensionalen Motivs im mittleren Entfernungsbereich einen Überblick zu liefern, der auch den Einfluss der Tiefenschärfe auf das Schärfeergebnis berücksichtigt. Wie oben gezeigt, liefert das Heliar bei offener Blende bereits eine sehr gute Schärfeleistung. Wenn auf drei Meter Abstand fokussiert wird, beträgt die Tiefenschärfe, also der Bereich, den man als scharf bezeichnen kann, bei Blende 3,5 allerdings nur wenige Zentimeter. Prinzipiell bewahrheitet sich die Beobachtung aus der Belichtungsreihe oben. Die Ergebnisse von Blende 3,5 bis 11 liegen nah beieinander. Den Sweet Spot sehe ich bei Blende 5,6 und 8, an den Bildrändern bei Blende 8.

Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Frontlinsenansicht, Foto: Klaus Schörner

Bokeh: Die zehn Blendenlamellen des Heliar bewirken eine gleichmäßig gerundete Blendenöffnung. Das dürfte sich positiv auf die Wiedergabe unscharfer Lichtpunkte auswirken. So erscheinen Letztere auch nicht als Vieleck, wie man das bei anderen Optiken häufig sieht, sondern weich abgerundet. Generell gibt das Heliar unscharfe Bildbereiche weich und angenehm ausgeglichen wieder, prinzipiell unabhängig davon, welche Blende verwendet wird. 

Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Stillife bei Minimalentfernung 70cm, Foto: bonnescape

Oben: Nahaufnahme mit Minimalabstand 70 cm, Fokussierung auf den Dochthalter der Öllampe, Belichtungszeit 1/6 Sekunde bei offener Blende 3,5. Die zehn Bendenlamellen des Heliar liefern ein angenehmes, unaufgeregtes Bokeh, dass sich (Lichter oben) auch bei Blende 8 oder 16 nicht verändert. Die mandelförmige Darstellung der Lichtpunkte im Hintergrund ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die fotografierten LEDs nicht rund, sondern länglich waren.

Abbildungsfehler: Bei den Testaufnahmen ist es mir nicht gelungen, nennenswerte Farbsäume zu erzeugen. Diese zeigten sich auch bei hohen Kontrasten und in Gegenlichtsituationen derart gering, dass für eine Monitorwiedergabe und normale Vergrößerungsmaßstäbe bis Din A4 auf eine Korrektur verzichtet werden konnte. Auch Lichtreflexe u.ä. bei Gegenlicht stellten mit diesem Objektiv zu keiner Zeit ein Problem dar, was möglicherweise auch der engen, trichterförmigen Metall-Sonnenblende zu verdanken ist. Diese kann dauerhaft auf dem Objektiv verbleiben, zumal sie auch als Aufnahme für den Original-Objektivdeckel dient, der auf das Objektiv selbst nicht passt. Verzeichnungen sind völlig unauffällig bis nicht vorhanden und spielen in der Praxis keine Rolle. Die Farbtendenz der mit dem Heliar aufgenommenen Bilder erscheint neutral, ist weder zu kühl, noch zu warm.

Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Sitzgruppe Tagebau, Foto: bonnescape

Oben: Aufnahme mit dem Heliar an der M9 bei Blende 8 und 1/1000 Sekunde mit ISO 400 aus der Hand. Schärfe und Farbwiedergabe sind einwandfrei. Trotz der Gegenlichtsituation mit hohen Kontrasten ist das Bild frei von Farbsäumen, Reflexen oder ähnlichen Fehldarstellungen.

Praxistest Voigtländer Heliar 3,5/50 mm VM, Testmotiv Strassenecke, Foto: Klaus Schörner

Oben: Aufnahme mit dem Heliar an der M9 bei Blende 5,6 und 1/90 Sekunde mit ISO 400 aus der Hand. Aus gestalterischen Gründen wurde das Bild oben und unten etwas beschnitten. Fokussiert wurde auf das linke untere Fenster, von der hellgelben Fassade links bis zum Hintergrund erscheint das Bild scharf, lediglich das Geländer und die Strasse vorn befinden sich leicht außerhalb der Tiefenschärfe. Die saubere Trennung der Gebäudekanten oben zum Himmel empfinde ich als exzellent. Nur an dem kleinen senkrechten Stück links tritt ein schmaler Farbsaum in Magenta auf.

Zusammenfassung und Fazit:

Ein wenig wirkt das Heliar wie die verchromte Miniatur eines klassischen Messingobjektivs aus der Zeit der Plattenkameras des beginnenden 20. Jahrhunderts. Alles ist kompakt und filigran gehalten, leider auch die Skalenbeschriftung, die sich je nach Lichtverhältnissen auf dem hochspiegelnden Material nicht immer gut lesbar abhebt. Wer allerdings denkt, dass es sich bei dem Heliar lediglich um ein Spielzeug mit historischem Touch handelt, wird beim Gebrauch eines Besseren belehrt. Zweifellos kann man es sich mit einem 50 mm Objektiv für Kleinbild bzw. Vollformat heute leichter machen, als sich mit Blendenringen ohne Rastung und mitdrehenden gezahnten Rändelringen abzugeben. Das Heliar verfügt jedoch über erhebliche Einsatzqualitäten und ist ein Leckerbissen für Liebhaber der bewussten, entschleunigten Fotografie. 

Antike Objektive werden heutzutage gern an moderne Digitalkameras adaptiert, um mit ihren damals gängigen optischen Abbildungsfehlern den Bildern einen besonderen Look zu geben. Man kann vermuten, dass das Konzept, mit einem neuen Objektiv im Vintage-Design an die goldenen Jahre der Fotografie und der Firma Voigtländer anzuknüpfen, eine Reaktion auf diesen Trend ist. Mit seinem Namen lässt das Heliar immerhin einen legendären Objektiv-Klassiker wieder aufleben, der von Fotografen zu einer Zeit begehrt wurde, als die Fototechnik noch pur und überschaubar war und noch nicht von Pixelwahn, Restlichtverstärkung und Hochgeschwindigkeits-Belichtungsfolgen bestimmt war. So ganz stimmig erscheint mir dieses Konzept allerdings nicht. Das 3,5/50 mm Heliar ist einfach zu gut. Seine optischen Qualitäten orientieren sich an heutigen Anforderungen. Keine Spur von der Weichheit (=Unschärfe), die dem klassischen Heliar bei Offenblende nachgesagt wurde. 


Wenn die Vignettierung nicht stört oder per Nachbearbeitung beseitigt wird, kann bereits die offene Blende bedenkenlos als Allround-Einstellung verwendet werden. Limitierungen ergeben sich dann allenfalls im mittleren und nahen Entfernungsbereich durch die geringe Tiefenschärfe, sofern man diese nicht bewusst als Stilmittel einsetzen möchte. Bereits bei Blende 3,5 liefert das Objektiv Fotos mit sehr guter Schärfe bis in die Bildecken. Der Sweet Spot, also die Blende mit maximaler Schärfeleistung, ist Blende 8. Der Unterschied zu 5,6 ist aber mitunter kaum sichtbar und eher eine Folge der unterschiedlichen Tiefenschärfe. Bei meinen Testfotos konnte ich Bilder mit Blendenwerten zwischen 3,5 und 5,6 nach Vignettenkorrektur und geringer Nachschärfung am Rechner visuell kaum noch von denen unterscheiden, die mit Blende 8 aufgenommen worden waren. Abbildungsfehler wie Verzeichnungen und chromatische Aberrationen zeigten sich im praktischen Einsatz derart gering, dass man sie getrost vernachlässigen kann. Die allgemeine Anmutung, Farbtendenz und Kontrastwiedergabe der mit dem Heliar aufgenommenen Bilder ist im besten Sinne unspektakulär, das heißt, sie wirkt neutral und stimmig. 

Es hat mir Spaß gemacht, mich mit diesem Objektiv zu beschäftigen. Für mich ist das VOIGTLÄNDER Heliar 3,5/50 mm VM eines dieser Fotogeräte, die mit ihrem ästhetischen Design, offenbar hoher Fertigungsqualität und Reminiszenzen an die klassische Bedienweise einfach zur Freude am bewussten und genussvollen Fotografieren beitragen und fast nebenbei auch noch technisch sehr gute Bildergebnisse liefern. 

Copyright 2018 by Klaus Schörner / www.bonnescape.de

Hinweis: Mein Dank geht an die Firma VOIGTLÄNDER / RINGFOTO in Fürth, die mir das Heliar zum Testen zur Verfügung gestellt hat. Deren freundliches Entgegenkommen hat mich in meiner Urteilsfindung über dieses Objektiv allerdings nicht beeinflusst. Vorteile, Nachteile und Eigenarten des Heliar habe ich entsprechend meinem Eindruck bewertet. In diesem Zusammenhang ist mir wichtig zu erwähnen, dass ich keinerlei Honorar für diesen Testbericht erhalte und dass das Testobjekt morgen wieder an VOIGTLÄNDER zurück geht (obwohl es mir zugegebenermaßen ein wenig leid tut, es wieder abzugeben).


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Kommentare: 8
  • #1

    Andreas Fein (Montag, 22 Januar 2018 08:21)

    Mal wieder ein interessanter und informativer Objektivtest aus praktischer Sicht! Sehr schön zu lesen!

  • #2

    Udo Afalter (Dienstag, 23 Januar 2018 16:07)

    Ich finde das Objektiv vom Design her wirklich gelungen, deshalb steht es auch schon lange auf meiner Wunschliste.

    Dein "Praxisbericht" hebt sich angenehm von den sonstigen "Testberichten" ab. Danke dafür! :-)

  • #3

    Klaus (admin) (Dienstag, 23 Januar 2018 16:34)

    Hallo Andreas, hallo Udo,
    freut mich, dass der Bericht euer Interesse und Gefallen findet. Danke für's positive Feedback!
    LG, Klaus

  • #4

    W.S (Freitag, 02 Februar 2018 09:40)

    Toller Beitrag!

  • #5

    Klaus (admin) (Freitag, 02 Februar 2018 19:00)

    Vielen Dank :-)

  • #6

    Max (Montag, 12 Februar 2018 13:56)

    Spannend! Kannte das schnuckelige Teil gar nicht. Danke für den Tipp!
    Gruß, Max

  • #7

    Klaus (admin) (Dienstag, 13 Februar 2018 10:45)

    @ Max: Gerne :-)

  • #8

    Matze (Freitag, 01 Februar 2019 18:53)

    sehr sehr schön - ich glaub ich hab mich gerade verliebt
    Haben wollen!