Zeiss Biogon vs. Zeiss Distagon

Biogon vs. Distagon: Welches 35er ist schärfer?

Distagon T* 2,0/35 ZF (links) versus Biogon T* 2,0/35 ZM: Welches ZEISS-Objektiv ist besser?

Hier gibts jetzt Backsteinwände zu bewundern! Wenn es auf Leistung ankommt, sollte man sein Equipment kennen. Heute steht meine bevorzugte Weitwinkel-Brennweite 35 mm in den beiden von mir verwendeten Kamerasystemen NIKON und LEICA M auf dem Prüfstand. Welches 35er zeichnet schärfer und bei welcher Blende bringen die beiden ZEISS-Objektive ihre beste Leistung? 

Die Marke ZEISS mit ihren legendären, aber preislich immer noch erschwinglichen Objektiv-Konstruktionen war und ist mir stets ein Garant für hervorragende Objektivqualität. Ich liebe die wertige Verarbeitung, die edle Haptik und das Gefühl, keinen leichten Joghurtbecher, sondern ein Präzisionsprodukt aus Glas und Metall in der Hand zu halten. Nicht, dass es im 35 mm Bereich nicht auch bei LEICA und NIKON ausgezeichnete Lösungen gegeben hätte, aber es hat sich so ergeben, dass das meist verwendete Objektiv an meiner LEICA M9 heute ein ZEISS Biogon 2,0/35 mm ZM ist und dass ich einen Großteil der Fotos mit der NIKON D4 und einem ZEISS Distagon 2,0/35 mm ZF aufnehme.

Gleicher Hersteller, gleiche Brennweite, ...

... unterschiedliche Objektiv-Konstruktionen. Der legendäre Objektivtyp Biogon basiert auf einer fast symmetrischen Berechnung, die eine besonders wirkungsvolle Korrektur von Abbildungsfehlern ermöglicht. Biogone eignen sich für Kameras, bei denen das Objektiv in einer Entfernung zu Film oder Sensor platziert werden kann, die im Prinzip seiner Brennweite entspricht. Ein 35er Weitwinkel wird also in einem Abstand von 3,5 cm montiert. Bei einer Kleinbild-Spiegelreflexkamera funktioniert das jedoch nicht. Da ist der Kameraspiegel mit seinem Bewegungsspielraum im Weg, der knapp 5 cm benötigt. ZEISS setzt daher bei Weitwinkelobjektiven für Spiegelreflexkameras auf den Bautyp Distagon. Dieser ist asymmetrisch aufgebaut und ermöglicht einen größeren Abstand der Hinterlinse zum Sensor oder Film. Distagone sind sogenannte Retrofokus-Objektive und es heißt, dass deren Konstruktion die Ingenieure bei der Entwicklung vor besondere Anforderungen stellt hinsichtlich der Korrektur von optischen Abbildungsfehlern.

Objektivansicht Distagon T* 2,0/35 mm ZF (links) versus Biogon T* 2/35 ZM

Oben: Welches 35mm-Objektiv aus dem Hause ZEISS ist schärfer? Distagon ZF T* 2,0/35 mm (links) gegen Biogon T* 2,0/35 ZM mm (rechts). Testgelände ist ein Parkplatz mit hoher Backsteinwand nahe der Kölner Messe. 

Testbedingungen

Eine großflächige Backsteinwand an einem Parkplatz in Köln-Deutz. Zwei stabile Stative, eines mit der NIKON D4 und dem Distagon, das andere mit der LEICA M9 und dem Biogon. Beide Kameras werden per Kabel- bzw. Drahtauslöser im Automatikmodus betrieben, Belichtung per Zeitautomatik nach Blendenvorwahl und automatischer Weißabgleich. Die manuelle Fokussierung erfolgt bei der LEICA per Messsucher und bei der NIKON mit Lifeview, kameraeigener Bildschirmvergrößerung und HOODLOUPE. Alle Bilder werden im jeweiligen Rawformat aufgenommen und in Lightroom importiert, dann als jpeg exportiert und in Photoshop einheitlich beschnitten.

Was sofort auffällt ...

Die Bilder mit dem Distagon an der NIKON haben eine kühlere Farbbalance, während die Kombination LEICA und Biogon warmtonigere Bilder produziert. Das Distagon neigt etwas mehr zu tonnenförmiger Verzeichnung als das Biogon, was sich aber über Lightroom in nullkommanix herausrechnen lässt. Gleiches gilt für die Vignettierung, doch dazu später mehr.

Testbild, Gesamtansicht. LEICA M9 mit 2,0/35 mm Biogon ZM versus NIKON D4 mit 2,0/35 mm Distagon ZF.

Oben: Das gesamte Testbild. Die nachfolgenden Detailaufnahmen sind Ausschnitte von der Bildecke links oben und aus der Bildmitte.

Bildecke oben links:

Testvergleich: 2,0/35 mm Zeiss Biogon ZM vs. 2,0/35 mm Zeiss Distagon ZF: Blende 2,0, Ecke links oben

Oben: Ecke oben links, Blende 2,0: Beide Objektive zeichnen bei Offenblende in den Ecken sehr weich. Das Ergebnis des Biogon (links) ist mit kräftiger Nachschärfung eventuell noch verwendbar, das noch unschärfere Ergebnis des Distagon dürfte wohl unbrauchbar sein. Der Helligkeitsunterschied im Vergleich zu den unten folgenden Aufnahmen ist eine Folge der Vignettierung, die beim Distagon ausgeprägter ist als beim Biogon.

Testvergleich: 2,0/35 mm Zeiss Biogon ZM vs. 2,0/35 mm Zeiss Distagon ZF: Blende 2,8, Ecke links oben

Oben: Ecke oben links, Blende 2,8: Das Biogon (links) zeichnet nach Schließung um eine Blendenstufe spürbar schärfer und zeigt deutlich weniger Vignettierung. Das Ergebnis des Distagon hat sich nicht verbessert.

Testvergleich: 2,0/35 mm Zeiss Biogon ZM vs. 2,0/35 mm Zeiss Distagon ZF: Blende 4, Ecke links oben

Oben: Ecke oben links, Blende 4: Weitere Schärfezunahme und praktisch keine sichtbare Vignettierung mehr beim Biogon (links), das Distagon (rechts) bleibt unscharf und in den Ecken deutlich dunkler.

Testvergleich: 2,0/35 mm Zeiss Biogon ZM vs. 2,0/35 mm Zeiss Distagon ZF: Blende 5,6, Ecke links oben

Oben: Ecke oben links, Blende 5,6: Nur noch geringfügige weitere Verbesserung der Detailschärfe beim Biogon (links), während das Distagon annähernd gleichzieht und erstmals ein verwendbares Ergebnis produziert.

Testvergleich: 2,0/35 mm Zeiss Biogon ZM vs. 2,0/35 mm Zeiss Distagon ZF: Blende 8, Ecke links oben

Oben: Ecke oben links, Blende 8: Gute Ergebnisse beider ZEISS-Objektive. Das Distagon (rechts) jetzt ohne Vignettierung und mindestens ebenso scharf wie das Biogon.

Testvergleich: 2,0/35 mm Zeiss Biogon ZM vs. 2,0/35 mm Zeiss Distagon ZF: Blende 11, Ecke links oben

Oben: Ecke oben links, Blende 11: Beide Objektive zeigen eine sehr ähnliche Leistung wie bei Blende 8.

Testvergleich: 2,0/35 mm Zeiss Biogon ZM vs. 2,0/35 mm Zeiss Distagon ZF: Blende 16, Ecke links oben

Oben: Ecke oben links, Blende 16: Die Bildschärfe nimmt bei beiden Objektiven wieder etwas ab. Ein typischer Effekt, der durch Beugungsunschärfe bei kleinen Blendenöffnungen entsteht. Mit Nachschärfung sind die Ergebnisse aber noch verwendbar.

Testvergleich: 2,0/35 mm Zeiss Biogon ZM vs. 2,0/35 mm Zeiss Distagon ZF: Blende 22, Ecke links oben

Oben: Ecke oben links, Blende 22: Die Beugungsunschärfe beider ZEISS-Objektive ist stärker ausgeprägt als bei Blende 16.

Bildmitte:

Im Test: 2,0/35 mm Zeiss Biogon ZM vs. 2,0/35 mm Zeiss Distagon ZF: Blende 2,0 Bildmitte

Oben: Bildmitte, Blende 2,0: Das Distagon (rechts) zeichnet bei Offenblende in der Bildmitte etwas schärfer als das Biogon. Dass der Bildausschnitt heller ist als bei der Kontrahentin, ist eine Folge der Vignettierung in den Bildecken, die die integral arbeitende Belichtungsautomatik der Kamera zu einer Aufhellung veranlasst.

Im Test: 2,0/35 mm Zeiss Biogon ZM vs. 2,0/35 mm Zeiss Distagon ZF: Blende 2,8 Bildmitte

Oben: Bildmitte, Blende 2,8: Auch bei Abblendung um eine Stufe ist das Ergebnis des Distagon (rechts) ein wenig schärfer als das des Biogon.

Im Test: 2,0/35 mm Zeiss Biogon ZM vs. 2,0/35 mm Zeiss Distagon ZF: Blende 4 Bildmitte

Oben: Bildmitte, Blende 4: Biogon und Distagon bringen gleichermaßen eine sehr ordentliche Detailschärfe.

Im Test: 2,0/35 mm Zeiss Biogon ZM vs. 2,0/35 mm Zeiss Distagon ZF: Blende 5,6 Bildmitte

Oben: Bildmitte, Blende 5,6: Deutliche Steigerung der Schärfeleistung beider Objektive im Vergleich zur Blende 4. Das Bildergebnis des Biogon erscheint jetzt etwas schärfer als das des Distagon.

Im Test: 2,0/35 mm Zeiss Biogon ZM vs. 2,0/35 mm Zeiss Distagon ZF: Blende 8 Bildmitte

Oben: Bildmitte, Blende 8: Beide ZEISS-Objektive bringen jetzt maximale Detailschärfe im Bildzentrum. Das Biogon (links) scheint mir auch bei dieser Blende noch eine Spur schärfer als das Distagon.

Im Test: 2,0/35 mm Zeiss Biogon ZM vs. 2,0/35 mm Zeiss Distagon ZF: Blende 11 Bildmitte

Oben: Bildmitte, Blende 11: Die Bildergebnisse sind im Bildzentrum kaum von denen bei Blende 8 zu unterscheiden.

Im Test: 2,0/35 mm Zeiss Biogon ZM vs. 2,0/35 mm Zeiss Distagon ZF: Blende 16 Bildmitte

Oben: Bildmitte, Blende 16: Bedingt durch die Beugungsunschärfe lässt die Scharfzeichnung beider Objektive ab Blende 16 wieder etwas nach.

Im Test: 2,0/35 mm Zeiss Biogon ZM vs. 2,0/35 mm Zeiss Distagon ZF: Blende 22 Bildmitte

Oben: Bildmitte, Blende 22: Das Ergebnis wird bei beiden ZEISS-Objektiven gleichermaßen deutlich weicher.

Fazit:

Beide ZEISS-Objektive liefern im Bildzentrum bereits ab Blende 2,8 sehr gute Detailschärfe, die ab Blende 4 als exzellent bezeichnet werden kann. Mit minimaler Nachschärfung während der Postproduktion sind hier knackscharfe Ergebnisse möglich. In den Bildecken sieht es etwas anders aus: Das Distagon T* 2/35 ZF an der D4 leidet bei großen Blendenwerten unter ausgesprochen schwachen Randbereichen und bringt in den Bildecken erst ab Blende 5,6 zufrieden stellende und ab Blende 8 gute Ergebnisse. Das Biogon T* 2/35 ZM an der M9 gefällt dagegen durch einen ausgewogeneren Schärfeverlauf. Bei Blende 4 sind die Bildecken bereits gut, bei Blende 5,6 sehr gut. Bei beiden 35ern tritt ab Blende 16 Beugungsunschärfe auf. Für eine maximale Scharfzeichnung über die gesamte Bildfläche empfiehlt sich beim Biogon die Verwendung der Blenden 5,6 sowie 8 und 11, beim Distagon lediglich 8 und 11. In diesen Idealbereichen sind beide Objektive ebenbürtig, ansonsten hat das Biogon aufgrund seiner besseren Abbildungsleistung im Randbereich, der geringeren Vignettierung und der geringeren tonnenförmigen Verzeichnung deutlich die Nase vorn.

Copyright 2017 by Klaus Schörner / www.bonnescape.de



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