Pentacon 2.8/135 mm und die Kraft der 15 Lamellen

Pentacon 2.8/135mm und die Kraft der 15 Lamellen

Das Pentacon 2.8/135mm und die Kraft der 15 Lamellen, Foto: bonnescape.de

Von Zeit zu Zeit stelle ich hier Objektive vor, die in Vergessenheit geraten sind oder zu Unrecht unterschätzt werden. Es sind Objektive, die ich für wertvoll halte, weil sie unsere Fotografie mit ihren besonderen Eigenschaften bereichern können. Ein wunderbarer Vertreter dieser Gruppe, dem ich meinen heutigen Artikel widme, ist das Pentacon 2.8/135mm. Das fünflinsige Teleobjektiv mittlerer Brennweite stammt aus DDR-Produktion und wurde ...

... in mehreren Variationen über einen Zeitraum von 1969-1989 gebaut. Beziehen wir den direkten Vorgänger, das Orestor von Meyer-Optik Görlitz, mit ein, erstreckt sich die Bauzeit ab 1962 über ganze 27 Jahre. Der Namenswechsel von Orestor zu Pentacon ging einher mit der Aufnahme der Meyer-Optik in den VEB Pentacon Dresden.* Dank hoher Produktionsmengen ist dieser Objektivtyp heutzutage auf dem Gebrauchtmarkt in großer Auswahl zu geringen Preisen vertreten. Das mir vorliegende Exemplar gehört der letzten Bauform aus den 1980er Jahren an. Das ist an dem geraden, zylindrischen Gehäuse und der grün ausgelegten Feet-Bezifferung zu erkennen. Es ist in Unendlichstellung mit aufgeschraubter Blende 11 cm lang, wiegt 515 g und hat eine Vorwahlblende mit 15 (!) Blendenlamellen. Die Linsen haben kein Multicoating. 

*Quelle: https://zeissikonveb.de/start/objektive/wechselobjektive-1960er/meyer-optik-goerlitz/orestor.html

Schwarze Schönheit: Das Pentacon 2.8/135mm an der Pentax ES, Foto: bonnescape.de

Oben: Schwarze Schönheit, die in mehrfacher Hinsicht was für's Auge bietet. Das Pentacon 2.8/135mm mit aufgeschraubter Gegenlichtblende in der Version mit M42-Gewinde, hier an einer Pentax ES.

Modellvielfalt im historischen Überblick

Trotz der diversen Ausführungen des Pentacon 2.8/135 mm gab es im Laufe von fast drei  Jahrzehnten nur wenige Änderungen am Innenleben. Variiert wurde vor allem das Äußere des Gehäuses. Und so finden wir bei Exemplaren aus den 1960er Jahren das typische "Zebra"-Design mit den schwarz-silber gestreiften Ringen für Fokussierung und Blendensteuerung. In den 1970ern folgte das "Berg und Tal" Design, mit dem man versuchte, den Fokussierring mit ausgearbeiteten Griffmulden ergonomischer zu gestalten. Seit etwa 1975 wurde das Pentacon 2.8/135 mm mit kreuzgerändeltem Griffbereich am Scharfstellring produziert. Die Feet-Skala war zunächst rot ausgelegt, ab Mitte der 1980er Jahre grün. Es scheint, dass sich das althergebrachte Konzept der Vorwahlblende mit den 15 Lamellen bis zum Ende der Produktionszeit anhaltender Beliebtheit erfreute. Immerhin waren bereits seit den 70ern parallel unter der Bezeichnung Pentacon auto 2.8/135 auch zeitgemäßere Varianten mit automatischer Springblende und Blendenstiftsteuerung erhältlich. Konstruktionsbedingt beschränkten sich diese allerdings auf 6 Blendenlamellen. Bei den Pentacon auto Versionen gab es auch solche mit mehrfachvergüteten Gläsern. Diese sind an dem Namenszusatz "MC" (für "multicoating") zu erkennen.

Quelle: https://www.digicamclub.de/showthread.php?t=17355

Die Anschlussseite des Pentacon 2.8/135mm mit dem M42-Gewinde, Foto: bonnescape.de

Oben: Unspektakulärer Kameraanschluss ohne Blendenstift oder Steuernocken. Ein M42er Gewinde, sonst nix. Die Bendeneinstellung erfolgt manuell, die Belichtungsmessung bei Arbeitsblende.

Die meisten Pentacon 2.8/135er dürften wohl für Kameras mit M42 Schraubgewinde hergestellt  worden sein. Spezielle Varianten der Serie Pentacon Electric wurden zusätzlich mit drei Kontakten ausgestattet und übermitteln elektrische Informationen zur eingestellten Blende an Kameras wie die Prakticas der Baureihen LLC, VLC, EE und PLC. Damit sind Offenblendmessung und gegebenenfalls automatische Belichtungssteuerung möglich. Andere Varianten wurden mit Exakta-Bajonett ausgeliefert. Und dann gibt es noch Versionen mit Praktica B-Bajonett, die unter dem Namen Prakticar vermarktet wurden. 

Das Pentacon 2.8/135mm mit Kiwi-Adapter an der Nikon Z7, Foto: bonnescape.de

Oben: Leistungsfähige Kombi, das Pentacon 2.8/135mm mit Kiwi-Adapter an der Nikon Z7. Sucherbild und Monitor bleiben auch bei Arbeitsblende hell, die kameraeigene VR ermöglicht auch bei den längeren Belichtungszeiten ein verwacklungsfreies Fotografieren aus der Hand.

Warum 15 Blendenlamellen?

Die Anzahl der Blendenlamellen in einem Kameraobjektiv beeinflusst die Form der Blendenöffnung und kann sich auf die Qualität der erzeugten Unschärfe (das sogenannte "Bokeh") auswirken. Objektive mit weniger Lamellen, beispielsweise 5 oder 6, erzeugen häufig polygonale oder unregelmäßige Formen im Bokeh. Unscharfe Lichtpunkte im Hintergrund haben dann die Form eines Fünf- oder Sechsecks, was ich als sehr unnatürlich empfinde. Objektive mit einer größeren Zahl von Blendenlamellen, wie zum Beispiel 13, 15 oder 18, erzeugen beim Schließen der Blende dagegen eine annähernd kreisförmige Öffnung. Diese kann dazu beitragen, ein weicheres und ästhetisch ansprechendes Bokeh zu erzeugen. Unscharfe Lichtpunkte erscheinen dann nicht mehr eckig, sondern rund. Allerdings ist die Anzahl der Blendenlamellen nicht der einzige Faktor, der die Qualität des Bokehs beeinflusst. Auch die optische Konstruktion des Objektivs und die Art und Weise, wie die Blende geformt ist, spielen eine Rolle. Einige moderne Objektive mit weniger Lamellen können dank fortschrittlicher Konstruktionstechnik dennoch ein angenehmes und attraktives Bokeh erzeugen.

Blick auf die 15 blades des Pentacon 2.8/135mm, Foto: bonnescape.de

Oben: Aufwändiges Leistungsmerkmal. 15 Lamellen sorgen für eine runde Blendenöffnung, die sich positiv auf das Bokeh auswirkt. Interessanterweise sind die Lamellen des Pentacon nicht geschwärzt. Dennoch ist das Reflexionsverhalten für ein Objektiv dieser Brennweite vergleichsweise gering.

Warum haben primär Teleobjektive so viele Lamellen?

Objektive mit längerer Brennweite haben tendenziell eine geringere Tiefenschärfe als kurzbrennweitige Objektive, wie sie im Normal- oder Weitwinkelbereich zum Einsatz kommen. Daher kann man sie gut dazu verwenden, ein Hauptmotiv vor einem mehr oder weniger  unscharfen Hintergrund freizustellen. Die Qualität der Abbildung von Unschärfen spielt bei Teleobjektiven somit eine größere Rolle. Wenn die optischen Eigenschaften dabei ein besonders interessantes oder ansprechendes Bokeh ermöglichen, werden entsprechende Objektive oft als "King of Bokeh" bezeichnet. Das vorliegende Pentacon 2.8/135 mm ist dafür ein Paradebeispiel.

Bokeh mit runden Lichtpunkten, Pentacon 2.8/135mm, Foto: bonnescape.de

Oben: Weihnachtsbaum im "Bokeh-Modus". Nahezu perfekt runde Unschärfekreise. Bei mittleren Tonwerten wird innerhalb der Lichtpunkte eine leichte bogenförmige Struktur sichtbar. Pentacon 2.8/135 mm an Nikon Z7 mit Blende 4.5

Bei offener Blende ist jeder Durchlass rund

Eine fünf- oder sechseckige Blendenform kann kein Bokeh verhunzen, wenn sie voll geöffnet und somit unsichtbar bleibt. Spielt es also in der Praxis überhaupt eine Rolle, wie viele Lamellen mein Objektiv hat?

Ja, denn die einzelnen Blendenstufen geben dem Fotografen die Möglichkeit, die Unschärfe des Bokeh und die Größe der Unschärfekreise zu steuern. Zudem wird durch leichtes Abblenden die Qualität des Bokeh verbessert. Auch beim Pentacon ist das der Fall: Eine voll geöffnete Blende produziert Unschärfekreise, die im Bildrandbereich oval oder mandelförmig werden. Ein Schließen um 1-2 Blendenstufen verhindert das. Unschärfekreise bleiben dann unabhängig von ihrer Position im Bild kreisrund. Weiteres Schließen der Blende lässt die Kreise kleiner, punktförmiger und schärfer werden.

Bokeh mit mandelförmigen und runden Lichtpunkten, Unterschied Offenblende und leicht abgeblendet, Foto: bonnescape.de

Oben links: Pentacon 2.8/135 mm an Nikon Z7 mit Blende 2.8. Die offene Blende erzeugt runde Lichtpunkte, die im Randbereich mandelförmig werden. Oben rechts: dito mit Blende 4.5. Unscharfe Lichtpunkte sind ab Blende 4.5 auch im Randbereich rund. 

Polygonal abgebildete Lichtpunkte, Auto Miranda EC 2.8/135mm, Foto: bonnescape.de

Oben: Zum Vergleich der Blick auf einen Blendenapparat mit 6 Lamellen (Beispiel: Miranda EC 2.8/135mm). Eine polygonale Blendenöffnung gibt unscharfen Lichtpunkten ein eckiges Aussehen.

Fotografieren mit dem Pentacon 2.8/135mm

Das Fotografieren mit dem Objektiv macht Spaß. Die breiten, weich und präzise drehenden Ringe für die Einstellung von Fokus und Blende lassen sich gut ertasten, während das Auge am Kamerasucher verbleiben und die Wirkung beobachten kann. Der Entfernungsbereich zwischen 1,5 m und 3 m wird mit einer halben Umdrehung des Fokusrings abgedeckt. Im Nahbereich lässt sich damit sehr präzise fokussieren. Auf den Bereich von 3 bis 6 m und von 6 m bis Unendlich entfallen jeweils etwa 90° Drehung, was ein schnelles Scharfstellen ermöglicht. Das Objektiv zeichnet in allen Entfernungsbereichen scharf und brillant. Der Blendenring erfasst die Werte 2.8 bis 32 mit einem Drehweg von 90°, ist ungerastet und funktioniert intuitiv oder nach dem Vorwahlprinzip. Bei Letzterem zieht man den Ring gegen Federkraft einige Millimeter nach vorn und dreht, bis die rote Punktmarkierung auf den gewünschten Blendenwert zeigt. Mit dem Zurückfedern des Rings wird der eingestellte Wert zum oberen Anschlag des Drehwegs, so dass man ohne Hinsehen mit einem kurzen Dreh zwischen Offen- und Arbeitsblende wechseln kann. 

Geringes Flare beim Fotografieren in die Lichtquelle, Pentacon 2.8/135mm, Foto: bonnescape.de

Oben links: In einem bestimmten Winkel zur Lichtquelle kann es zu Überstrahlungen kommen. Hier steht die Sonne leicht oberhalb des Bildfeldes und sorgt in der Bildmitte für Flare. Bei einem Schwenk um wenige Grad verschwinden diese. Oben rechts: Gleiche Motivsitation, aber die Kamera ist nun auf die Sonne ausgerichtet. Interessanterweise kaum Kontrastverlust beim Fotografieren direkt in die Sonne. Pentacon 2.8/135 mm Nikon Z7.

Obwohl die Linsen des Objektivs kein Multicoating haben, werden Gegenlichtaufnahmen mit einer starken Lichtquelle im Bild erstaunlich gut verarbeitet. Das ist völlig problemlos. Das kenne ich von anderen 135ern dieser Bauzeit auch anders. Erst bei einer Gegenlichtquelle in einem bestimmten Winkel seitlich oberhalb des Bildfeldes können partielle Überstrahlungseffekte  auftreten. Nach einem Schwenk der Kamera um wenige Grad sind diese dann wieder verschwunden. Die enge, zylindrische Gegenlichtblende erfüllt ihre Aufgabe und sorgt für wirksame Abschirmung. Sie wird in das 55er Filtergewinde eingeschraubt. Innen hat sie kein Gewinde, das Anbringen eines Filters wäre dort auch zu fummelig. Daher werden Filter zwischen Gehäuse und Gegenlichtblende geschraubt.

Bokeh und Schärfe im Nahbereich, Pentacon 2.8/135mm, Foto: bonnescape.de

Oben: Tropfen am Fenster. Einwandfreie Scharfzeichnung mit offener Blende im äußersten Nahbereich von knapp 1,5 m. 
Pentacon 2.8/135 mm Nikon Z7.

Präzise platzierte Schärfe, Straßenrand mit Streiflicht am frühen Morgen, Pentacon 2.8/135mm, Foto: bonnescape.de

Oben: Streiflicht am frühen Morgen. Schön differenzierte Schärfe/Unschärfe-Zonen mit dem Pentacon 2.8/135 mm, Blende 2.8

Weihnachtsbaum 2023, Brillanz, Bokeh und punktuelle Schärfe mit dem Pentacon 2.8/135mm an der Nikon Z7, Foto: bonnescape.de

Oben: Und nochmal der diesjährige Weihnachtsbaum: Spiel mit punktueller Schärfe, Brillanz und Bokeh, Pentacon 2.8/135 mm bei Offenblende an der Nikon Z, dank VR verwacklungsfreie Aufnahmen mit 1/40 Sek. aus der Hand, ISO 3200.

Fazit

Das Pentacon 2.8/135 mm ist ein Teleobjektiv mittlerer Brennweite, das bis Ende der 1980er Jahre in etlichen Varianten hergestellt wurde. Heute bekommt man gut erhaltene, gebrauchte Exemplare für deutlich unter einhundert Euro. Dieser geringe Preis ist zweifellos dem großen Angebot geschuldet, nicht aber der Qualität dieses Objektivs. Ich freue mich bei meinem Exemplar über eine ausgezeichnete, praxisgerechte Verarbeitung und eine tadellose Bildqualität mit knackscharfer Detailwiedergabe, brillanten Kontrasten und unaufgeregtem, weichem Bokeh. Der aufwändig konstruierte Blendenapparat mit 15 Lamellen sorgt für eine kreisrunde Blendenöffnung und bildet unscharfe Lichtpunkte rund ab. Diese Eigenschaft, die dem Objektiv den Beinamen "King of Bokeh" verschafft hat, war für mich das wesentliche Kaufargument. Ich verwende das Pentacon 2.8/135mm an verschiedenen analogen M42-Kameras von Pentax, Fuji, Pentacon und Praktica sowie mit Adapter an der Nikon Z7.

Copyright 2023 by Klaus Schörner / www.bonnescape.de


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Kommentare: 6
  • #1

    Mark (Sonntag, 31 Dezember 2023 12:31)

    Hallo Klaus,
    danke für diesen Test. Ich hoffe, daß das Pentacon 4/200 mit 15 Blendenlamellen und M42 Gewinde ähnlich performed. Bin nämlich ein Fan von längeren Brennweiten. Wäre super, wenn Du das 200er auch mal testen könntest.
    LG Mark

  • #2

    Klaus (admin) (Montag, 01 Januar 2024 04:35)

    Hi Mark,
    das kann ich nicht versprechen, dass ich mir irgendwann das 200er für einen Test zulege. Ich nutze selbst nur selten Vollformat-Brennweiten über 90 mm, insofern war das 135er schon eine Ausnahme. Ich bin ja hier auch nicht um ein repräsentatives Test-Portfolio bemüht, sondern berichte nur gelegentlich über Objektive, die ich selbst schon längere Zeit verwende und für empfehlenswert halte.
    Falls du es dir irgendwann zulegst und Lust hast, hier auf diesen Seiten darüber zu berichten, lass uns gerne reden.
    Liebe Grüße, Klaus

  • #3

    Birgit S (Sonntag, 21 Januar 2024 09:58)

    Hallo, für welche fotografischen Situationen oder Motive kannst Du den Einsatz des Pentacon 2,8/135mm empfehlen? Wäre das auch etwas für Tierfotografie?
    Danke schonmal und liebe Grüße

  • #4

    dimi (Sonntag, 21 Januar 2024 10:48)

    kein typisches Glas für Tierfotografie
    für kleine Tiere ist die Naheinstellung nicht nah genug, für wildlife nimmt man längere Teles, für Tiere die nicht stillhalten nimmt man besser ein schnelles AF-Objektiv

  • #5

    Klaus (admin) (Sonntag, 21 Januar 2024 13:57)

    Hallo Birgit,
    das Pentacon 2.8/135mm eignet sich besonders gut für Motivsituationen, in denen du vorn oder im mittleren Entfernungsbereich dein Hauptmotiv hast und eine Freistellung mit Unschärfeeffekt im Hintergrund erzielen möchtest. Auch aufgrund der Brennweite bieten sich hier zum Beispiel Portraits an. Für Tierfotografie kann das Objektiv durchaus verwendet werden. Der Drehweg für die Scharfstellung lässt ein einigermaßen schnelles Arbeiten zu. Um aber Tiere in Bewegung einzufangen und gleichzeitig über die Mattscheibe scharf zu fokussieren, braucht es schon etwas Übung. dimi hat es oben bereits geschrieben: Da macht man es sich mit einem Autofokus-Objektiv leichter.
    VG, Klaus

  • #6

    Manu (Freitag, 26 Januar 2024 14:25)

    Hallo
    ich habe mich bei Filmen im Fernsehen schon oft gefragt, warum die Lichter bei Nachtaufnahmen immer eckig sind. Sehr unrealistisch. Jetzt ist es mir klar. Danke für die Erklärung.
    Liebe Grüße, Manu