Praxistest Bildschärfe: Die neue NIKON D850
Ein Pavillon der Firma NIKON auf dem Platz vor dem NRW-Forum in Düsseldorf: Für die ziemlich kurze Zeit von 40 Minuten habe ich die brandneue D850 gebucht, um die Kamera in der näheren Umgebung einem intensiven Kurztest zu unterziehen. Natürlich ist angesichts der funktionellen Vielfalt dieses hochgezüchteten Pixelmonsters eine gute halbe Stunde kaum ausreichend für eine umfängliche Beurteilung. Ein improvisiertes Architektur-Shooting mit Stativ soll mir aber zumindest einen Eindruck verschaffen, wie die D850 mit meinen besten NIKON-Objektiven kooperiert und ob die Linsen überhaupt in der Lage sind, die hohe Sensor-Auflösung der Kamera zu bedienen.
Unterstützen die Objektive die hohe Auflösung der D850?
Mitgebracht habe ich das hervorragende, aber leider inzwischen nicht mehr produzierte AF-S Nikkor 28-70mm 1:2,8 D IF-ED und das aktuelle PC-E NIKKOR 24 mm 1:3,5D ED. Beide Nikkore liefern an meiner D4 ausgezeichnete Auflösungs- und Kontrastergebnisse und zählen bei Landschaftsaufnahmen und in der Architekturfotografie zu meinen meist verwendeten Objektiven. Das Zoom liefert erfahrungsgemäß schon bei Blende 4 sehr gute Ergebnisse, der Sweet Spot liegt bei Blende 8 und Blende 11 über alle Brennweiten hinweg. Weiteres Abblenden auf Blende 16 verringert die hervorragende Abbildungsleistung nur geringfügig. Erst ab Blende 22 setzen deutliche Beugungsunschärfen ein. Das Tilt-Shift-Objektiv bringt seine beste Leistung bekanntlich ebenfalls bei den Blenden 8 und 11. Die Blenden 5,6 und 16 eignen sich auch noch als ganz gute Arbeitsblenden. Wie schlagen sich die beiden Objektive an der neuen NIKON?
Oben: NIKONs neue D850, hier mit dem PC-E NIKKOR 24 mm 1:3,5D ED nach dem Test-Shooting.
Nun zunächst die Gesamtansichten des Motivs mit den diversen getesteten Objektiven und Brennweiten, jeweils ohne Farb-, Helligkeits- und Verzeichnungskorrekturen.
Oben: NIKON D850 mit PC-E 24 mm, 7mm Shift nach oben
Oben: NIKON D850 mit AF-S 28-70 mm, Brennweite 28 mm
Oben: NIKON D850 mit AF-S 28-70 mm, Brennweite 35 mm
Oben: NIKON D850 mit AF-S 28-70 mm, Brennweite 50 mm
Oben: NIKON D850 mit AF-S 28-70 mm, Brennweite 70 mm
Ich möchte jetzt nicht mit allzu umfangreichen Bildtableaus aller getesteten Einstellungen langweilen, zumal der zu beobachtende Effekt durchgängig ähnlich ist. Daher kürze ich die nachfolgenden Bildausschnitte auf einige repräsentative Beispiele. Wer Interesse hat, die ganzen Aufnahmeserien zu sehen, kann mich gern über die Kontakt-Funktion anmailen. Alle Ausschnitte sind 100%-Crops ohne Korrekturen.
Beispiel 70mm: NIKON D850 mit AF-S 28-70 mm bei Brennweite 70mm. Die nachfolgende Bildserie zeigt einen Ausschnitt aus der Bildmitte mit ansteigenden Blendenwerten. An der D4 setze ich das Objektiv durchaus auch mit offener Blende ein. An der D850 führt das zu völlig inakzeptablen Ergebnissen. Unnötig zu erwähnen, dass die Bildecken noch schlimmer aussehen. Ab Blende 5,6 ist ein deutlicher Qualitätsschub zu beobachten, die Blenden 8, 11 und 16 liefern hervorragende Schärfe, Blende 22 fällt wegen Beugungsunschärfen wieder etwas ab.
Beispiel 28mm: NIKON D850 mit AF-S 28-70 mm bei Brennweite 28mm. Die nachfolgenden Bilder zeigen links je einen Ausschnitt aus der Bildmitte und rechts daneben einen vom Bildrand. Die Bildmitten sind durchweg gut bis hervorragend mit einem Sweet Spot bei den Blenden 5,6, 8 und 11. Lediglich Blende 22 fällt wegen Beugungsunschärfen deutlich ab. Der Bildrand unterstützt diese Beobachtungen, die Ergebnisse bei Blende 2,8 und 22 fallen aber noch schlechter aus.
Beispiel Schärfentiefe: NIKON D850 mit AF-S 28-70 mm bei Brennweite 38mm, aufgenommen aus der Hand bei Blende 7 und 1/400 Sekunde.
Unten links: So stellt sich die 100%-Ansicht eine Ausschnitts aus dem Foto links mit einer 16-Mp-Kamera dar. Obwohl auf die Gebäudesäule in der Bildmitte fokussiert wurde, wirken die Personen im Vordergrund noch einigermaßen scharf. Während der Nachbearbeitung würde man hier selektiv etwas nachschärfen und ein annehmbares Ergebnis erzielen. Die Variante rechts mit den 45,7 Mp der D850 zeigt dagegen speziell im Bereich der Haare und der Jeans-Naht massive Unschärfen, deren signifikante Nachbesserung angezweifelt werden kann.
Fazit:
Saubere fotografische Technik und eine optimale Leistung des Objektivs honoriert die D850 mit atemberaubender Schärfe und hervorragender Detailwiedergabe über die gesamte Bildfläche. Die Kamera lässt allerdings keinerlei Kompromisse zu und verlangt Fotograf und Objektiv einiges ab, wenn am Ende ein Resultat stehen soll, dass auch hohen Ansprüchen genügt. Führen ein leichter Verwackler oder eine suboptimale Blende bei Kameras der 20-Megapixel-Klasse mit etwas Nachbearbeitung häufig noch zu gut verwendbaren Ergebnissen, so verzeiht die D850 keine noch so kleine ungewollte Unschärfe, sondern skaliert sie hoch auf stolze 45,7 Megapixel.
Bei den beiden im Test verwendeten Objektiven bewahrheiten sich die von der D4 her bekannten Sweet Spots und ermöglichen an der D850 knackig scharfe, extrem hochauflösende Bilder. Andere als die jeweils optimalen Blenden führen jedoch nicht im bekannten Maße zu etwas weniger Bildqualität, sondern an der D850 gleich zu sehr viel weniger Bildqualität.
Die Kamera liegt gut in der Hand, ist perfekt ausgewogen, nicht zu leicht - nicht zu schwer, und bietet ein tolles Handling. Komfortables Highlight ist der brillante, schwenkbare Monitor. Man könnte auf die Idee kommen, die D850 wäre die perfekte Point and Shoot Kamera zum "Immerdabeihaben". Genau das ist sie meiner Meinung nach aber nicht. Zumindest dann nicht, wenn man die hohe Auflösung, die ihr hervorstechendes Funktionsmerkmal ist, auch nutzt. Ich sehe in der D850 eher ein professionelles Handwerkszeug ähnlich einer Mittelformatkamera, das an seine Bedienung nicht unerhebliche Ansprüche stellt.
Bewährte Arbeitsweisen wie das Arbeiten mit der sogenannten Tiefenschärfe bei bestimmten Blendenwerten oder das hyperfokale Fokussieren, also das Fotografieren mit der Vorwahl einer Blende und einer bestimmten Entfernungseinstellung (der Hyperfokaldistanz), die von x Meter bis unendlich alles scharf zeichnet, müssen bei der D850 neu bewertet werden. Wir erinnern uns in diesem Zusammenhang, dass Tiefenschärfe eigentlich "TiefenUNschärfe" ist. Perfekt scharf sind immer nur Bildpunkte, die sich in der zur Kamera senkrechten Ebene befinden, auf die die Entfernung eingestellt wurde. Überall vor oder hinter dieser Ebene wird das Motiv mehr oder weniger unscharf abgebildet. Leicht unscharfe Bildbereiche, die in Abhängigkeit vom Aufnahmeformat bei 16 oder 20 Megapixel visuell noch als scharf beurteilt werden können, werden durch die D850 mit ihren 45,7 Megapixel gnadenlos als unscharf ge-outet.
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Ähnliches gilt für Verwacklungsunschärfe. Die Testzeit reichte für konkrete Versuche nicht aus, aber ich gehe ziemlich sicher davon aus, dass die fotografische Faustregel vom Kehrwert der Objektivbrennweite als Mindestverschlusszeit* zur Vermeidung von Verwacklungsunschärfe bei der D850 zu überprüfen ist.
Alles in allem ist die NIKON D850 ein faszinierendes neues Aufnahmegerät, dass nicht zuletzt durch den hervorragenden, klappbaren Touch-Screen in Sachen Handling ebenso auch wie bei der Bildqualität derzeit Maßstäbe setzen dürfte.
* also z.B. 1/50 Sekunde bei einem 50 mm Objektiv oder 1/20 Sekunde bei einem 20 mm Objektiv.
Copyright 2017 by Klaus Schörner / www.bonnescape.de
Update 12.06.2018:
Im soeben veröffentlichten Teil 2 des Praxistests muss die NIKON D850 aus ihrer ISO-Komfortzone raus. Vorgewählt werden diesmal die optimalen Blenden der Objektive zusammen mit Verschlusszeiten, die man noch ohne Verwackeln aus der Hand bedienen kann.
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Manfred Höller (Mittwoch, 27 September 2017 18:57)
Cool!
Sagst du was zu den Verschlusszeiten?
Könnte Verwacklungsunschärfe mit im Spiel gewesen sein?
Grüße
Manni
Klaus (admin) (Mittwoch, 27 September 2017 19:31)
Hallo Manni
gern. Die verwendeten Belichtungszeiten reichten von 1/1000 bis 1/30 Sekunde bei Iso 100. Da Lightroom und Photoshop die Raws der D850 noch nicht interpretieren können, habe ich die parallel abgespeicherten Fine Jpgs verwendet. Wenn trotz Stativ und Kabelauslöser Verwacklung das Ergebnis verfälscht hätte, wären kaum die Fotos mit offenen Blenden betroffen gewesen, die im Test am schlechtesten ausfallen, da dort die kürzesten Zeiten verwendet wurden.
VG
Klaus
Frank (Sonntag, 08 Oktober 2017 12:07)
Die Leistung des Sensors in der D850 ist top. Das hat dxomark.com gerade bestätigt. Was du schreibst ist aber überlegenswert, denn es betrifft den Praxiswert mit den verfügbaren Objektiven.
Klaus (admin) (Sonntag, 08 Oktober 2017 16:35)
Ja, das stimmt. Unter folgendem link findet man den lesenswerten Testbericht (in englischer Sprache):
https://www.dxomark.com/nikon-d850-sensor-review-first-dslr-hit-100-points/
Die D850 stellt demnach sogar einige digitale Mittelformatkameras in den Schatten.
nikonuser (Donnerstag, 19 Oktober 2017 13:56)
Da ist ja eine veritable DX mit mittlerer Pixelzahl und hochwertigem Objektiv wohl die bessere Wahl, um scharfe Fotos zu machen.
Grüsse
hpr (Sonntag, 22 Oktober 2017 11:18)
Wer Highend will, muss Highend kaufen und sein Werkzeug beherrschen, und das gilt dann für alle Komponenten.
Ansonsten guter Review. Danke dafür.
Grüsse