Vermeidung von Bildrauschen

Warum meine Fotos keinen Rauschfilter brauchen

Rauschvermeidung statt Rauschfiltern. Maisfeld im Mondlicht. Copyright 2018 by Klaus Schoerner

Weil ich Rauschen im Sinne von Filmkorn cool finde oder nur Kameras mit großen Sensoren einsetze? Nein, das allein wäre zu einfach und ist hier auch nicht gemeint. Vielmehr halte ich mit einigen kleinen Einstellungen das Bildrauschen so gering, dass es nicht stört und normalerweise keiner nachträglichen Korrektur bedarf. Wie das geht, lest Ihr in dem folgenden Beitrag.

Update weitere Beispiele 30.10.2018

Rauschvermeidung statt Rauschbeseitigung

Jeder kennt Fotos, die irgendwie grisselig wirken, meistens dort, wo man sich eigentlich schöne glatte Farb- oder Grauflächen wünscht. Diejenigen, deren fotografische Aktivitäten noch in analoge Zeiten zurückreichen, erinnern sich dann an die früher beliebten hochempfindlichen Filme, die mit ihrem groben Filmkorn ähnliche Effekte produziert haben, wenn auch auf andere Art und Weise. In der digitalen Fotografie nennt man diese Störungen, die bei der elektronischen Aufzeichnung entstehen, Bildrauschen.

Vereinfacht ausgedrückt, entsteht Rauschen vor allem durch eine Erwärmung des Kamerasensors während der Aufnahme und durch die Verstärkung von Bildpunkten, die zu wenig Licht abbekommen haben. Bei normalen Lichtbedingungen haben moderne Kameras heutzutage kein Problem, rauschfreie Fotos zu produzieren. Wird jedoch eine Signalverstärkung nötig, etwa weil spärliche Lichtverhältnisse eine hohe ISO-Einstellung oder eine längere Belichtungszeit erfordern, oder weil zu dunkle Bildpartien nachträglich am Rechner aufgehellt werden müssen, wird häufig Bildrauschen generiert. Wie störend sich dieser Effekt am Ende auswirkt und wie gut er sich gegebenenfalls in der Postproduktion beseitigen lässt, ist von vielen Faktoren abhängig. In der Regel kommen Kameras mit moderner Sensortechnologie damit besser klar und große Pixel produzieren tendentiell weniger Rauschen als kleine. Dabei spielt die Größe des Sensors übrigens nur indirekt eine Rolle. Eigentlich nur insoweit, als auf einem kleinen Sensor nur dann viele Pixel Platz finden, wenn man sie kleiner macht. Und viele Pixel will ja heute jeder in seiner Kamera haben, egal wie kompakt das Ding ist.

Zum Entrauschen von Bildern gibt es unterschiedliche Strategien. Ob man die Kamera mit entsprechender Einstellung im Kameramenü pauschal drüberbügeln lässt, bei der Nachbearbeitung am Rechner einen Rauschfilter anwendet oder mit ausgefeilten Algorithmen das Rauschen aus dem Bild herausrechnet, hat sichtbare Auswirkungen auf die Qualität des Bildes. Aber auch die Art und Weise des Nachschärfens hat Einfluß darauf, wie stark das Rauschen am Ende in Erscheinung tritt. Mal mehr, mal weniger, und meist eine Frage von Kompromissen: Nachträgliches Entrauschen ist möglich, geht aber leider häufig zu Lasten von Bilddetails, die quasi mit weggefiltert werden. Grund genug, mal darüber nachzudenken: Was kann man tun, um das Bildrauschen von vornherein in Grenzen zu halten? 

Maisfeld bei Mondlicht. Copyright 2018 by Dr. Klaus Schoerner

Oben: Maisfeld bei Mondlicht, Nachtaufnahme mit 30 Sekunden Belichtungszeit bei Blende 11 und ISO 1600. Aufnahmeprozedere gemäß der folgenden 5 Punkte Liste.

Wie vermeide ich nachträgliches Rauschfiltern?

  1. Rohkost
    Zunächst fotografiere ich grundsätzlich im Rohdatenformat: NEF, DNG, ARW, oder was auch immer. Hauptsache "Raw". Neben einigen anderen Vorteilen für die Nachbearbeitung vermeiden Rohdaten zusätzliche Störeffekte durch die JPG-typischen Artefakte und bringen die größere Farbtiefe und damit die Tonwertreserven mit, die ich für Schritt 5 benötige.
  2. ISO+ Rauschfilter - NO!
    Auch wenn die Kameras immer besser werden: Hohe ISO-Werte generieren Bildrauschen. Trotzdem setze ich die kameraeigene High ISO Rauschfilterung auf Null, weil diese Funktion das Bildrauschen undifferenziert glättet, je nach Stärke alles irgendwie weichspült und dabei Bilddetails vernichtet. 
  3. Long Exposure NR - YES!
    Sofern das Kameramenü diese Einstellung bietet, schalte ich die Langzeitbelichtungs-Rauschunterdrückung ein. Bei manchen Kameras ist die sogar grundsätzlich aktiv und kann gar nicht ausgeschaltet werden. Langzeitbelichtungen führen per se zu einer Erwärmung des Kamerasensors, so dass dieser Rauschen produziert. Je länger die Belichtungszeit, desto mehr Bildrauschen ist die Folge. Die sogenannte Long Exposure Noise Reduction (in manchen Kameramenüs "LENR") begegnet diesem Effekt durch ein unmittelbar nach der eigentlichen Aufnahme erzeugtes Referenzbild, das mit geschlossenem Kameraverschluss nichts anderes abbildet als das vom Sensor aktuell generierte Rauschen. Damit kann die Kamera die Position der "rauschenden Pixel" erkennen und aus dem eigentlichen Foto herausrechnen. Im Unterschied zum High ISO Rauschfilter (siehe 2.) findet hier also eine differenzierte Gegenmaßnahme statt, die weniger zerstörerische Auswirkungen auf die Bilddetails hat. Der Fotograf sieht nichts von diesem Arbeitsprozess der Kamera außer einer gewissen Wartezeit nach der eigentlichen Aufnahme, die man tunlichst nicht durch vorzeitiges Ausschalten verkürzen sollte, da der Prozess sonst abgebrochen wird und keine Rauschminderung erfolgt.
  4. Besser lang belichten als mit hohen ISO-Werten
    Aus den Erläuterungen zu 2.) und 3.) ergibt sich, dass es bei Fotos unter spärlichen Lichtbedingungen vorteilhaft ist, den ISO-Wert klein zu halten und lieber länger zu belichten. Man tauscht also dabei das nur mit Kollateralschäden zu bekämpfende High ISO Rauschen gegen das präziser zu eliminierende Long Exposure Rauschen. Auch wenn bei vielen Kameras heutzutage ein Bildstabilisator dabei hilft, ist natürlich völlig klar, dass man längere Belichtungszeiten nicht bei jeder Art von Motiv gebrauchen kann. Zudem sprechen wir hier von Zeiten, die durchaus auch mehrere Sekunden oder erheblich länger betragen können. Bei Landschafts-, Architektur- und Nachtaufnahmen vom Stativ kann man Langzeitaufnahmen jedoch in der Regel gut realisieren.
  5. Gezielte Überbelichtung
    Schaut man sich verrauschte Fotos an, stellt man fest, dass das Bildrauschen vor allem in dunklen und aufgehellten Flächen auftritt, jedoch kaum oder gar nicht in hellen Bildbereichen. Daher liegt der Schritt nahe, dunkle Partien in den Bildern durch gezielte Überbelichtung zu mindern. Was bis vor einigen Jahren und zu analogen Zeiten völlig undenkbar gewesen wäre, ist durch die großen Tonwert-Reserven der Rohdatenformate heute möglich. Ich belichte meine Aufnahmen generell so, dass ich die darstellbaren hellen Tonwerte ausreize und die Tiefen in einiger Entfernung vom linken Anschlag des Histogramms halte. Meistens führt das zu einer Überbelichtung um 1 Blende (je nach Motiv auch mehr), so dass ich die Belichtungsautomatik meiner Kameras oft standardmäßig auf eine Überbelichtung von 0,7 oder 1,0 EV einstelle. Die tatsächliche Tonalität der Bilder mit den ausgearbeiteten Tiefen stelle ich dann erst während der Datenentwicklung durch Abdunkeln her.

Beispiele für die Einstellungen im Kameramenü:

Praxistest Rauschen: Warum ich bei meinen Fotos keinen Rauschfilter brauche. Beispiel NIKON. Foto: bonnescape

Oben NIKON: Einstellungen zur Rauschunterdrückung über den Kameramonitor, sowie Anzeige der Referenzbilderstellung mit "Job nr" nach der Langzeitbelichtung im Schulterdisplay.

 

Rechts LEICA: Bei der M9 kann man dazu nichts einstellen, die Rauschverringerung wird jedoch nach der Belichtung komfortabel mit Herunterzählen der verbleibenden Wartezeit am Kameramonitor angezeigt. 

 

Unten SONY: Einstellungen zur Rauschminderung "RM" über den Kameramonitor (RX100 M2), sowie Anzeige der Referenzbilderstellung nach der Langzeitbelichtung.

Praxistest Rauschen: Warum ich bei meinen Fotos keinen Rauschfilter brauche. Beispiel LEICA. Foto: bonnescape

Praxistest Rauschen: Warum ich bei meinen Fotos keinen Rauschfilter brauche. Beispiel SONY. Foto: bonnescape

Bildbeispiele:

Die folgende Testreihe besteht aus Crops aus dem Interieurfoto ganz unten, jeweils in 100% Ansicht. Die Aufnahmen erfolgten mit einer NIKON D4. Obwohl diese Kamera mit nur 16 Megapixeln auf Vollformatsensor sehr rauscharm arbeitet, kann Bildrauschen je nach Arbeitsweise durchaus ein Thema sein, wie die Bildbeispiele unten zeigen. Vergleichsbilder zum Bildrauschen von D4, D750 und D500 finden sich übrigens hier.

Unten: Die für das erste Beispiel verwendete Standardbelichtung war aufgrund der Gegenlichtmessung dunkler als gewünscht und musste nachträglich um +1,7 Lichtwerte aufgehellt werden. Das Ergebnis ist ein Bildrauschen in den Grauanteilen, was in der Bildecke links unten besonders deutlich zu sehen ist.

Praxistest Rauschen: Warum ich bei meinen Fotos keinen Rauschfilter brauche. Bildbeispiel 1. Foto: bonnescape

Unten: Die manuell korrigierte Belichtung der Kamera bedarf keiner nachträglichen Aufhellung. Das Bildrauschen ist geringer als bei der aufgehellten Variante, aber sichtbar. 

Praxistest Rauschen: Warum ich bei meinen Fotos keinen Rauschfilter brauche. Bildbeispiel 2. Foto: bonnescape

Unten: Die ursprünglich um +1 Lichtwert überbelichtete Aufnahme erreicht nach der Abdunklung am Rechner ein Bildergebnis, bei dem kein störendes Rauschen mehr festzustellen ist. 

Praxistest Rauschen: Warum ich bei meinen Fotos keinen Rauschfilter brauche. Bildbeispiel 3. Foto: bonnescape

Unten: Die Histogramme (ex Adobe Lightroom) zu den Bildbeispielen. A zeigt die Aufnahme, die dem gewünschten Belichtungsergebnis entspricht und per Korrekturfaktor bereits in der Kamera korrigiert wurde. Die aufgrund der Gegenlichtmessung zu dunkel ausgefallene Aufnahme (B) zeigt ein Übergewicht zur linken Histogrammseite. Darunter die überbelichtete Aufnahme vor der Abdunklung (C) und danach (D). Interessant ist, was jeweils am rechten Anschlag des Histogramms passiert. Selbst das unterbelichtete Bild hat in dem Fensterglas eine Bildpartie ohne Zeichnung. Zu erkennen ist das im Histogramm B an der Überbelichtungswarnung (weißes Dreieck oben rechts) und der kurzen weißen Linie ganz rechts am Anschlag. Das ursprünglich überbelichtete und später um 1 Lichtwert abgedunkelte Bild (D) rückt diesen Wert im Histogramm ein Stück vom Anschlag ab. Trotz der Überbelichtung fehlt kein Tonwert, der nicht auch bei den dunkleren Varianten schon ohne Zeichnung ist (Fensterfläche und Lichtreflexe). 

Praxistest Rauschen: Warum ich bei meinen Fotos keinen Rauschfilter brauche. Histogramme. Foto: bonnescape
Praxistest Rauschen: Warum ich bei meinen Fotos keinen Rauschfilter brauche. Architekturfoto Badezimmer. Foto: bonnescape

Update 30.10.2018:

Weitere Beispiele gewünscht? Kein Problem ;-)

Hier ein aktuelles Motiv, an dem ich gerade arbeite:

Tipps zur Rauschvermeidung: Belichtungsstufen Wendeltreppe, Foto: bonnescape

Oben: Für das Treppenmotiv habe ich beim Shooting drei Belichtungen im Abstand von 1 Blendenstufe aufgenommen. Die mittlere Version mit der von der Belichtungsautomatik ermittelten Messung gibt die beabsichtigte Tonwertanmutung des Bildes wieder. NIKON D4, Nikkor AF-S 2,8/14-24 mm @ 14 mm, ISO 400, Blende 8, 1/40, 1/20, 1/10 Sekunde.

 

Unten: Die 100% Crops entsprechen den Belichtungsstufen oben. Um die Helligkeit des mittleren Bildes zu erreichen, habe ich die unterbelichtete Version links um 1 Lichtwert aufgehellt und die überbelichtete Aufnahme rechts um 1 Lichtwert abgedunkelt. Es ist deutlich zu sehen, dass die ursprüngliche Überbelichtung zu dem Ergebnis mit dem geringsten Rauschen führt. Daher habe ich sie für die Weiterbearbeitung verwendet. Trotzdem hat das finale Bild ganz unten nicht weniger Zeichnung in den Lichtern als die Standardbelichtung oben. Die Tonwertreserven der NEF-Datei sind in den Lichtern beträchtlich und werden durch die separate Behandlung (Abdunkeln der Lichter in Lightroom) sichtbar. Interessanterweise geht mit stärkerem Rauschen durch die höheren Mikrokontraste eine höhere Schärfeanmutung bei 100%-Ansicht einher, der jedoch für die weiteren Bearbeitungsschritte keine Rolle spielt. Das aus der Überbelichtung generierte finale Bild wirkt groß ausgedruckt nicht unschärfer als die Alternativen, die aus dunkleren Belichtungen stammen, nur eben rauschfreier und glatter.

Tipps zur Rauschvermeidung: 100% Crops nach Korrektur, Wendeltreppe, Foto: bonnescape
Tipps zur Rauschvermeidung: Finale Fassung Foto Wendeltreppe, Copyright: bonnescape

Copyright 2018 by Klaus Schörner / www.bonnescape.de


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Kommentare: 7
  • #1

    Mel (Samstag, 06 Oktober 2018 00:25)

    Lieber Klaus! Endlich mal jemand, der mir die Vor/Nachteile von Iso+ und Longtime Noise Reduction erklärt! Daaaanke! Ehrlich!
    LG Melanie

  • #2

    Klaus (admin) (Samstag, 06 Oktober 2018 20:34)

    Hi Melanie,
    danke. Freut mich, wenn der Beitrag nützlich für dich ist.
    LG, Klaus

  • #3

    Volker (Dienstag, 30 Oktober 2018 10:00)

    Hallo Klaus,
    das ist ein interessanter Artikel. Auch wenn die Bildbeispiele vom Rauschen her gar nicht so drastisch sind, wird das Prinzip deutlich. Wäre interessant, das mal mit Low Light Beispielen auszuprobieren.
    Liebe Grüße
    Volker

  • #4

    Klaus (admin) (Dienstag, 30 Oktober 2018 12:15)

    Hallo Volker,
    gerne. Siehe oben.
    LG, Klaus

  • #5

    Volker (Samstag, 24 November 2018 16:34)

    Danke, Klaus. Ich finde, bei den neuen Bildern wird es noch deutlicher. Ich habe dein Konzept jetzt auch bei einigen Fotos angewendet.
    Liebe Grüße
    Volker

  • #6

    adi (Dienstag, 21 April 2020 10:41)

    es wird mir nun klar, dass ich mit meiner D500 auch das Rauschen besitze und dass ich nix falsch mache...DANKE, für die präzise und rauschfreie Erklärung.

  • #7

    Ollican (Dienstag, 20 Juli 2021 10:47)

    Ein sehr anschaulicher Beitrag mit guten Ratschlägen und praxisgerechten Beispielen. Richtig sensationell finde ich aber das Eingangsbild. Da hätte ich gern noch mehr von gesehen.