Architekturfotografie: KAISERSRUH

Architekturfotografie: KAISERSRUH

Architekturfotografie Kaisersruh (ehem. Lost-Place Herrenhaus bei Aachen): Luftaufnahme per Drohne DJI Phantom 4 Pro Plus, Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Copyright 2018
Drohne über Kaisersruh.  (ehem. Lost-Place Herrenhaus bei Aachen) Copyright 2018 by Klaus Schoerner

2016 hat sich ein Unternehmer aus Aachen der Ruine KAISERSRUH angenommen und die in bedauernswertem Zustand befindlichen Reste des Herrenhauses in zweijähriger Bauzeit wieder aufgebaut. Dabei wurden wesentliche Teile der klassizistischen und neobarocken Fassaden nach alten Fotos und Aufzeichnungen rekonstruiert. Inzwischen erstrahlt der Gebäudekomplex samt dem sogenannten Kutscherhaus wieder in vollem Glanz, wurde durch einen modernen Anbau ergänzt und ist jetzt Firmensitz einiger Aachener Unternehmen. Das architektonisch ansprechende, über zwei Ebenen verlaufende Dachgeschoss steht derzeit noch zur Vermietung.

Kirchliche, adelige, bürgerliche und militärische Zeiten,

Verfall und Wiederaufbau:  200 Jahre KAISERSRUH

Wie sein wohlklingender Name bereits vermuten lässt, hat der Gebäudekomplex vor den Toren von Aachen historische Bedeutung. Gegründet zu Beginn des 19. Jahrhunderts war KAISERSRUH ursprünglich Sitz des Kanonikus Ludwig von Fisenne (1768-1865). Ein Besuch des russischen Zaren Alexander I. im Jahre 1818 führte zur Namensgebung des Herrensitzes. Der Zar nahm zu dieser Zeit am Aachener Kongress teil, bei dem es um die Bewahrung der gesellschaftlichen Verhältnisse im postnapoleonischen Europa ging. Um 1895 wurde KAISERSRUH von der Fabrikantenfamilie Nellessen erworben und stark umgebaut. Im Verlauf seiner wechselvollen Geschichte war KAISERSRUH danach zunächst herrschaftlicher Familiensitz, wurde dann während des zweiten Weltkriegs von deutschem, später britischem und belgischem Militär besetzt und war nach Kriegsende zehn Jahre lang Domizil eines belgischen Generals. Seit Mitte der 1950er Jahre stand das Gebäude leer. Im Jahr 1971 durch die Erbengemeinschaft renoviert, blieb das Herrenhaus dennoch im Wesentlichen ungenutzt. Ab Anfang der 1980er Jahre wurde das unbewohnte Gebäude von Antiquitätendieben ausgeräumt, war Opfer von Vandalismus und verfiel zusehends. Konzepte, das Objekt wieder instand zu setzen und gastronomisch zu nutzen, scheiterten an behördlichen Auflagen. 1999 stürzten schließlich wesentliche Teile des Hauptgebäudes ein. Und so stand, als der jetzige Eigentümer KAISERSRUH erwarb, nur noch ein Rest der Fassade, notdürftig mit Holzbalken abgestützt, um den völligen Zusammenbruch zu verhindern.                                   

Architekturfotografie Kaisersruh (ehem. Lost-Place Herrenhaus bei Aachen): Eingang mit klassizistischer Fassade und Portikus, Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Copyright 2018

Oben und unten: Eingang in das restaurierte Haupthaus mit klassizistischer Fassade, Portikus, dorischen Säulen und Balkon.

Architekturfotografie Kaisersruh (ehem. Lost-Place Herrenhaus bei Aachen): Eingang mit klassizistischer Fassade und Portikus, Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Copyright 2018
Architekturfotografie Kaisersruh (ehem. Lost-Place Herrenhaus bei Aachen): Blick von Südosten, Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Copyright 2018

Oben: Blick aus östlicher Richtung auf das Haupthaus mit dem sich daran anschließenden zweigeschossigen Nebenhaus. Dessen neobarocke Gestaltung der Fassade unterscheidet sich von dem klassizistischen Stil des Haupthauses, ist jedoch authentisch und entspricht dem historischen Werdegang von KAISERSRUH.

Das neue Kaisersruh im Jahr 2018

Der Gebäudekomplex besteht aus dem nach Süden ausgerichteten dreigeschossigen Haupthaus mit seiner klassizistischen Fassadengestaltung und einem Portikus, der dem Eingang vorgelagert ist und mit vier dorischen Säulen einen darauf ruhenden Balkon stützt. Das sich an das Haupthaus anschließende Nebengebäude verfügt über zwei Geschosse plus Mansarde und wurde gemäß seinem damaligen Aussehen im neobarocken Stil rekonstruiert. Der Grundriss beider Gebäude erinnerte ursprünglich an eine Kreuzform, an deren Spitze sich - einer Apsis nicht unähnlich - auch heute noch ein poligonaler Erker befindet. Dieser weist nach Norden auf das Kutscherhaus, defacto das ehemalige Dienstbotengebäude, das größtenteils in Anlehnung an sein früheres Äußeres ebenfalls wieder aufgebaut wurde. Das Innere des gesamten Gebäudekomplexes, das seit dem Einsturz nicht mehr erhalten war, wurde völlig neu gestaltet. Die ehemals zwischen Erker und Kutscherhaus verlaufende Einfahrt in den Innenhof des Gutes ist heute Zugang zu einem modernen Anbau, der sich an die Westseite des Gebäudekomplexes anschmiegt. Mit seiner goldfarbenen und von linearen Rillen sternförmig durchlaufenen Fassade steht der Anbau in visuellem Kontrast zu den nach historischem Vorbild rekonstruierten Gebäudeteilen, ist aber in seiner gesamten Ausdehnung nur von dem abgeschlossenen Hof im Westen aus zu sehen. Der Gebäudeeingang hält sich in einer nur selten von der Sonne erreichten Nische zwischen Herrenhaus und Kutscherhaus so dezent im Hintergrund, dass das historische Erscheinungsbild von KAISERSRUH, soweit es von den flankierenden Straßen aus zu sehen ist, nicht beeinträchtigt wird. KAISERSRUH ist somit heute ein Statement für moderne, extravagante Gebäudearchitektur, die in der Koexistenz mit klassischer, rekonstruierter Bausubstanz diese nicht erschlägt, sondern sich dezent und intelligent unterordnet und beides einer zeitgemäßen Nutzung zuführt.

Architekturfotografie Kaisersruh: moderner Neubau mit neobarockem Gebäude im Hintergrund, Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Copyright 2018

Oben: Der moderne Anbau steht in stilistischem Kontrast zu den klassischen Teilen des Gebäudekomplexes, ist jedoch in voller Ausdehnung nur von der nicht-öffentlichen Westseite aus zu sehen.

Architekturfotografie Kaisersruh: morgendlicher Blick auf den kleinen Garten entlang der Nordostfassade. Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Copyright 2018
Architekturfotografie Kaisersruh: Westseite mit Sitzbank aus Steinquadern im Vordergrund. Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Copyright 2018
Architekturfotografie Kaisersruh: neobarocker, rekonstruierter Altbau neben modernem Neubau. Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Copyright 2018

Oben: Neobarocke Fassade mit Erker und moderner Nachbarschaft. Die nach Nordosten weisende Nische
des Gebäudekomplexes wird zu keiner Tageszeit von direktem Sonnenlicht erreicht und frühmorgens nur
kurzzeitig durch reflektiertes Licht von der Fassade des benachbarten Kutscherhauses aufgehellt.

Architekturfotografie Kaisersruh (ehem. Lost-Place Herrenhaus bei Aachen): Interieurfoto mit Erker, Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Copyright 2018

Oben: Innenansicht des Erkers im Erdgeschoss mit Blick auf das Kutscherhaus.

Architekturfotografie Kaisersruh Aachen-Würselen: Interieur-Ansicht Empfangsbereich, Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Copyright 2018

Oben und unten: Lobby und Empfangshalle bestechen durch weiße und helle, cremefarbene Töne mit sparsamen und dadurch besonders wirksamen Kontrast- und Farbakzenten. 

Architekturfotografie Kaisersruh Aachen-Würselen: Interieur-Ansicht der Lobby, Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Copyright 2018

Unten: Optisches Highlight ist die Freitreppe, die entgegen ihrem visuellen Eindruck nicht aus Bronze besteht, sondern aus einer aufwändigen Holzkonstruktion mit spezieller Acrylbeschichtung. In der Aussparung sollen künftig noch ein Handlauf und eine LED-Beleuchtung ergänzt werden.

Architekturfotografie Kaisersruh: Interieur-Ansicht, neu gestalteter Treppenaufgang, Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Treppe von Eduard Brammertz, Copyright 2018
Architekturfotografie Kaisersruh: Interieur-Ansicht von oben auf die Treppenarchitektur, Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Treppe von Eduard Brammertz, Copyright 2018
Architekturfotografie Kaisersruh: Freitreppe im Empfangssaal, Detail, Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Treppe von Eduard Brammertz, Copyright 2018
Architekturfotografie Kaisersruh (ehem. Lost-Place Herrenhaus bei Aachen): aerial view auf die Dachkonstruktion, Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Copyright 2018

Oben: Frühmorgendlicher Blick aus der Vogelperspektive auf die aufwändige Dachkonstruktion mit tief geschachteten Gauben und den rechteckigen Durchbrüchen im Dach des Hauptgebäudes.

Unten: Obere Ebene des Dachgeschosses innen: Die rechteckigen Durchbrüche sind so positioniert, dass sie Tageslicht in den Treppenschacht bringen.

Architekturfotografie Kaisersruh: Innenraum Dachgeschoss, Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Copyright 2018
Architekturfotografie Kaisersruh: Interieur, reduzierte Farb- und Formensprache mit geschwungener Wendeltreppe, Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Copyright 2018

Oben: Offener Treppenschacht mit Wendeltreppe zur zweiten Ebene.

Architekturfotografie Kaisersruh: reduzierte Formensprache, Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Copyright 2018

Oben und unten: Innenarchitektur mit puristischer Formensprache und reduziertem, sorgfältig ausgewähltem Materialmix.

Architekturfotografie Kaisersruh: Wendeltreppe von oben, Foto: Dr. Klaus Schörner, Bauherr: Franko Neumetzler, Architekt: Studio Makarowski, Copyright 2018

Die Fotos in diesem Beitrag sind Beispiele aus einer umfangreichen Bilddokumentation und stammen aus mehreren Fotoshootings im September 2018. Die Bildserien von den privaten Bereichen und Büros können hier leider nicht gezeigt werden. 

Text Copyright 2018 by Klaus Schörner / www.bonnescape.de. Fotos Copyright 2018 by Dr. SCHÖRNER - büro für architekturfotografie und immobilien publishing und Franko Neumetzler, Bauherr: Franko Neumetzler, Planung: Studio Makarowski, Entwurf der Freitreppe: Eduard Brammertz. Quelle zur Gebäudehistorie: Kaisersruh - Geschichte eines Herrenhauses, Heimatmagazin Schlaglichter, Ausg. 6/Juli 2018, Hg: Kulturstiftung Würselen / Kulturarchiv Würselen, ISSN 2512-3998).


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Kommentare: 6
  • #1

    Niklvr (Mittwoch, 14 November 2018 18:13)

    Lesenswert und geile Fotos!
    LG, Mark

  • #2

    Manni (Freitag, 23 November 2018 19:36)

    Cool! Meine Favoriten sind das Drohnenfoto ganz oben und die drei Treppenbilder unten. Große Klasse!
    Viele Grüße
    Manni

  • #3

    Klaus (admin) (Freitag, 23 November 2018 21:05)

    @ Mark
    @ Manni
    Vielen Dank! Freut mich, dass Text und Fotos gefallen.
    LG
    Klaus

  • #4

    Stefan P (Samstag, 29 Dezember 2018 12:38)

    Saubere Arbeit, das Gebäude sowie die Fotos.

  • #5

    Klaus (admin) (Sonntag, 30 Dezember 2018 00:30)

    @ Stefan: Danke für's positive Feedback :-)

  • #6

    Roswitha Hamacher (Montag, 26 Oktober 2020 10:42)

    Als gebürtige Aachenerin kenne ich den Bau seit meiner Jugend. Schön, dass Kaisersruh wieder steht und schön, dass man mal sehen kann, wie es Drinnen aussieht. Gibt es da nicht vielleicht auch mal einen Tag der offenen Tür, an dem man mal besichtigen kann? Das ist ja Aachener Kulturgut, das bestimmt viele Leute interessiert.
    Danke für den schönen Bericht :-)