Alte Scherben an digitalen Kameras: Das 13,5 cm Triotar
Zum Auftakt der Rubrik "Alte Scherben ..." schrauben wir ein 70 Jahre altes 13,5 cm Triotar mit Lichtstärke 1:4 an die NIKON Z7 und lassen uns mal überraschen, was der klassische Dreilinser aus dem Hause CARL ZEISS JENA auf den 45-Megapixel Sensor bringt. Mehr zu den überraschenden Ergebnissen im folgenden Bericht ...
Oben: Triotar: Knackige Schärfe in der Bildmitte und gute Heraushebung des Motivs vor dem malerisch fließenden Hintergrund.
Ein wenig Geschichte ...
Triotare wurden von 1939 bis in die späten 1950er Jahre gefertigt und basieren auf dem Cooke'schen Triplet aus der Zeit um 1900. Einfach aufgebaut, war das Triotar ein preislich erschwingliches Wechselobjektiv, vor allem für Kameras mit den Anschlüssen M42, Exakta und Contax. Fest verbaut findet man es aber auch in Budget-Varianten beliebter Kamera-Meilensteine wie der Rolleicord und der Rollei 35.
Oben: Das 4/13,5 cm Triotar an der EXAKTA VX, für die es mal hergestellt wurde.
Nicht nur CARL ZEISS JENA, sondern auch andere Hersteller hatten Dreilinser im Programm. Gebraucht gut zu finden sind heute noch das Trioplan von MEYER-OPTIK, das Meritar von LUDWIG, das Cassar von STEINHEIL, das Lanthar von VOIGTLÄNDER und exotischere Varianten wie das Bonotar von FEINMESS und das Iscotar von ISCO. Dabei fällt schnell auf, dass die Triplet-Dreilinser durchaus nicht immer nur langbrennweitig sind. Vielmehr ist bei den Kleinbildkameras das gesamte Brennweitenspektrum von 50 mm bis 200 mm vertreten. Tatsächlich waren Dreilinser insbesondere als preisgünstige Normalobjektive gängig, um Kamerakäufern den Einstieg zu versüßen. Ende der 1950er Jahre wurden die dreilinsigen Objektive zunehmend durch aufwändigere Objektivkonstruktionen verdrängt. Bei ZEISS in Jena waren danach im genannten Brennweitenbereich das vierlinsige Tessar oder das fünflinsige Sonnar vorherrschend.
Das hier vorgestellte Triotar entspricht dem zweiten Bautyp, wurde für EXAKTA-Kameras gefertigt und stammt der Serien-Nr. zufolge aus dem Jahr 1949.
Oben: 100% Crop aus dem Klatschmohn-Foto oben. Gute Detailschärfe besonders in der Bildmitte und ein ruhiges, fließendes Bokeh sind typische Merkmale des Triotar.
Ein wenig Technik ...
Das 13,5 cm Triotar hat die Lichtstärke 1:4 und besteht aus drei Linsen mit viel Luft dazwischen. Die Irisblende ist aufwändig konstruiert. 15 Lamellen ermöglichen eine fast kreisrunde Blendenöffnung. So etwas weiß man heute wieder zu schätzen, da unscharfe Lichtpunkte im Hintergrund mit so einer Blende rund abgebildet werden und nicht eckig wie mit den 6 oder 8 Blendenlamellen eines modernen Objektivtyps. Das vorliegende Triotar ist mit einem roten T gekennzeichnet und war 1949 somit die verbesserte Version mit minimal vergüteter Frontlinse.
Oben: Triotar 1:4/13,5 cm. Blick auf die Irisblende mit 15 Lamellen und kreisrunder Blendenöffnung.
Fotografieren mit dem Triotar 13,5 cm 1:4
Die Bildwirkung dieses alten Dreilinsers ist erstaunlich. Insbesondere dann, wenn man die Blende nur wenig schließt und mit begrenzter Schärfentiefe arbeitet. In der Bildmitte bereits bei Offenblende knackscharf, nimmt die Bildschärfe zu den Rändern hin leicht ab und zerfließt mit dem unscharf eingestellten Vorder- oder Hintergrund zu einem sehr weichen Bokeh, das die scharfe Bildmitte noch schärfer in der Vordergrund treten lässt. Unscharfe Lichtpunkte wirken dabei nicht so dominant wie beispielsweise bei den lichtstärkeren Trioplan-Dreilinsern mit ihrem "Bubble-Bokeh", sondern fördern eher einen dezent impressionistischen, malerischen Effekt.
Oben: Das unscharfe Ahornbäumchen wird als wolkige, impressionistisch wirkende Form abgebildet. Die Blendenöffnung des Triotar erscheint in der Bildmitte kreisrund und zu den Rändern hin leicht oval.
Oben: der 100%-Crop aus dem Aufmacherfoto oben demonstriert die sphärische, leicht flirrende Wirkung der Lichtpunkte.
Rein technisch betrachtet, entsteht diese Bildwiedergabe natürlich aus Bildfehlern, die man jahrzehntelang auszumerzen suchte. Drei einzelne, nahezu unvergütete Linsen bieten mit den technischen Möglichkeiten der 1940er Jahre nur begrenzt Potential zur Korrektur von optischen Abbildungsfehlern. Und so neigt das Triotar zu Cyan-Farbsäumen an den Kontrastkanten, ist extrem streulichtempfindlich und reagiert auf Gegenlicht mit überstrahlten, kontrastlosen Bildern.
Oben: Typische Abbildungsfehler des Triotar, rechts Farbsäume (CAs) an Hochkontrastkanten, links Überstrahlung (Flare) und Kontrastarmut in Gegenlichtsituationen.
Im Nahbereich verringert sich die Schärfentiefe naturgemäß und man kann mit dem Triotar bis 1,5 m Naheinstellung nette Ergebnisse erreichen. Mit dem Standard-Zwischenringsatz von Exakta kommt man noch näher ran, so dass ein Abbildungsmaßstab von fast 1:1 möglich ist. Das bedeutet, dass zum Beispiel eine Blüte mit 2 cm Durchmesser auf dem Sensor in gleicher Größe abgebildet wird – mit den riesigen Vergrößerungsmöglichkeiten eines 45,7 Megapixel Sensors. Die Schärfentiefe beträgt dabei nur wenige Millimeter, aber man kann sich beim Fotografieren darauf konzentrieren, da dank der Bildstabilisierung der Z7 oftmals sogar Aufnahmen verwacklungsfrei aus der Hand möglich sind.
Oben: Makroaufnahme bis annähernd 1:1 mit dem 13,5 cm Triotar und dem kompletten Exakta-Zwischenringsatz. Das ruhige, ausgeglichene Bokeh des Dreilinsers wirkt sich bei derartigen Motiven vorteilhaft aus.
Unten: Makroaufbau mit "langer Kanone" für das Blütenmotiv. Mit dem kompletten Zwischenringsatz kommt man bis 35 cm ran.
Links: Beispiel für den verträumten Look von Triotar-Bildern. Der weiche Verlauf vom scharfen Vordergrund in das Bokeh des Hintergrunds ist sehr gleichmäßig und bringt Ruhe in das Bild. Offene Blende.
Links: Wenn das Licht von hinten oder seitlich kommt, produziert das Triotar angenehm realistische Kontrastverhältnisse. Blende 8.
Oben: Zwei Welten prallen aufeinander und funktionieren überraschend gut zusammen. Die spiegellose NIKON Z7 und der PIXCO Adapter Exakta-Nikon Z machen es möglich: Das alte 13,5 cm Triotar aus dem Jahre 1949 mit EXAKTA-Bajonett an einer hochauflösenden Digitalkamera.
Copyright 2020 by Klaus Schörner / www.bonnescape.de
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Michael Böhmer (Freitag, 22 Mai 2020 18:21)
Netter Block. Gute Themenwahl zwischen Digital, Analog, Kameraformaten, Reiseberichten. Gefällt mir. Ich werde wieder vorbeischauen.
Klaus (admin) (Sonntag, 24 Mai 2020 12:34)
Hallo Michael, :-)
Danke fürs positive Feedback.
Mr. Sony (Dienstag, 26 Mai 2020 19:41)
Die dezent swirlige Abbildung gefällt mir. Ich habe ein 100 mm Trioplan 1:2,8 mit M42, das ich an die Alpha adaptiere. Da ist mir der Effekt bei Kunstlicht oder Sonne manchmal schon zu stark.
Viele Grüße
Lukas
Berhard (Donnerstag, 28 Mai 2020 21:57)
Vielen Dank für das Zeigen der Bilder mit dem Triotar. Ich selber bin fast nur mit Altglas unterwegs, daher freue ich mich, Gleichgesinnte im Netz zu finden.
LG Bernhard
Klaus (admin) (Freitag, 29 Mai 2020 10:31)
Hallo Bernhard,
vielen Dank. Ich habe mir gerade deine Seiten angesehen. Du hast ja schon viel Erfahrung mit alten Objektiven gesammelt. Bei mir ist das erst Thema geworden, seit ich vor 1,5 Jahren in das Z-System eingestiegen bin. Nachdem die Verwendung von sehr unterschiedlichem Altglas mit DSLR nur eingeschränkt möglich war, eröffnen Kameras wie die Z6/Z7 oder die Sony Alphas jetzt eine Welt ganz neuer Möglichkeiten.
Berhard (Freitag, 29 Mai 2020 13:24)
Hallo Klaus,
bin seit ca 2012 dem Altglasvirus erlegen. Mir macht es Spaß die unterschiedlichsten Objektive an verschiedenen Sensortypen auszuprobieren da gibt es immer wieder was zu entdecken. Und wenn mal ein besseres Bild dabei herausspringt dann freue ich mich darüber :-)
LG Bernhard
Klaus (admin) (Freitag, 29 Mai 2020 16:00)
Da gibt es viele im positiven Sinne "charaktervolle" Objektive. Interessanterweise entdecke ich heutzutage den Charme von Objektiven wieder, über die ich während meiner fotografischen Anfangszeit Ende 1970er/Anfang 1980er Jahre die Nase gerümpft habe.
...wie zum Beispiel DDR-Glas :-D
Michael (Sonntag, 06 September 2020 14:04)
Solche Objektive profitieren sehr vom Gebrauch einer Gegenlichtblende. Nahezu unvergütet trifft bei einer ca 50%igen Reflexionsverminderung durch Einfachschichten eigentlich nicht zu.