Mit und ohne KI – Wabi-Sabi in der Fotografie

Annäherung an Wabi-Sabi in der Fotografie

Analog, digital und mit KI – Wabi-Sabi in der Fotografie: Ikebana-Stillife im Studio, midjourney, www.bonnescape.de

Wabi-Sabi ist ein Ästhetik-Konzept, das die Schönheit im Einfachen, Unvollkommenen und Vergänglichen sucht und kultiviert. Als Gegenentwurf zu unserer von Konsum, Überfluss und Perfektionsstreben geprägten Welt ermutigt Wabi-Sabi, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und Überflüssiges loszulassen. Für uns wird es damit zu einer Ästhetik der Reduktion und des Minimalismus.* Die Wurzeln des Wabi-Sabi liegen in der einfachen, naturverbundenen Lebensweise buddhistischer Mönche im alten Japan. Tatsächlich finden wir Anklänge an traditionelle Prinzipien der Zen-Philosophie: ...

... Zum Beispiel im Idealisieren von Stille, Achtsamkeit und Aufmerksamkeit auf den gegenwärtigen Moment, oder in dem Bewusstsein und dem Akzeptieren dessen, dass die Dinge keine festen, unveränderlichen Identitäten haben, sondern sich in einem ständigen Wandel befinden. Es entspricht dabei dem Verständnis von Natürlichkeit, diesen Wandel unbeeinflusst geschehen zu lassen, bzw. sich auf seine Beobachtung zu beschränken: "Ein aus dem Brennofen genommener Topf, dessen Form sich als asymmetrisch erweist, besitzt eine Schönheit, die er nicht hätte, wenn er willentlich asymmetrisch gestaltet worden wäre." (Hurni, 2020, o.S.)

Podzimek-Horinouchi zufolge ist Minimalismus die europäische Sichtweise. Japaner sehen hier eher eine Balance im Sinne von "Nicht zu viel, nicht zu wenig." (Podzimek-Horinouchi, 2017, o.S.).

Wabi-Sabi zeigen oder sein

In der Fotografie kann Wabi-Sabi als stilistischer Ansatz dienen und sich in der Auswahl der Motive, der reduzierten Beleuchtung mit natürlich wirkenden Lichtquellen, der Beschränkung auf Wesentliches und einem ruhigen und unspektakulär gestalteten Bildaufbau mit reduzierter Buntheit ausdrücken. Fotografie kann aber auch selbst Wabi-Sabi sein, indem technische Unzulänglichkeiten oder handwerkliche Fehler, die wir normalerweise zu vermeiden suchen, zum Stilmittel werden. Das mag dann auch verstanden werden als "... Freiheit, das zu fotografieren, was wir am liebsten wollen, ..." ohne "... das Korsett aus fotografischen Regeln und Konventionen (Mänz, 2017, o.S.). Das beginnt bei der Lochbildkamera und der Verwendung von älteren, unvergüteten oder optisch unzureichend auskorrigierten Objektiven und reicht über das "Geschehen lassen" von Abbildungs- und Verarbeitungsfehlern bis hin zu Methoden zur scheinbaren oder beschleunigten Alterung der Bilder. Ziel ist die emotionale Ansprache der Betrachter, indem man ihnen die Augen öffnet für die Schönheit von Dingen, die wir unter normalen Umständen als beschädigt, nicht perfekt oder nutzlos ansehen.

Titelbild:

Abb. 1, Keramik mit Ikebana-Gesteck, KI / Midjourney.

Abbildungen rechts:

Abb. 2, Schatten von Mais auf dem Gehweg, analoges Foto.

Abb. 3, Treppengeländer im Abbruchhaus, KI / Midjourney.

Abb. 4, Mohnpflanzen, digitale Fotografie, Nahaufnahme.

Schattenwurf von Maispflanzen am Wegesrand. Bild aus dem Artikel "Analog, digital und mit KI – Wabi-Sabi in der Fotografie", Rolleiflex 2.8 GX, www.bonnescape.de
Treppengeländer im Abbruchhaus: KI-generiertes Bild zum Thema Wabi-Sabi in der Fotografie, midjourney, www.bonnescape.de
Mohnfeld. Aufgenommen mit Nikon Z7 und Triotar 100mm. Bild aus dem Artikel "Analog, digital und mit KI – Wabi-Sabi in der Fotografie", www.bonnescape.de

Für das Schaffen von Bildern in Wabi-Sabi Ästhetik bieten sich vor allem die Motive an, die typische Wabi-Sabi Eigenschaften* transportieren: Das sind Dinge oder Orte, ...

... die nicht der gängigen Vorstellung von Perfektion entsprechen.
... die durch Alter und Gebrauchsspuren gezeichnet sind.
... die in Rissen, Verfärbungen oder Beschädigungen ihre Geschichte offenbaren.
... die klein und vertraut, einfach und unprätentiös sind.
... die sich auf Wesentliches beschränken, ohne nüchtern, steril oder langweilig zu sein.
... die rauh, strukturiert und naturverbunden sind.
... die durch ein gedecktes Farbspektrum von Grau-, Braun-, Dunkelblau- und Dunkelrot-Tönen sowie Mischungen mit Schwarz gekennzeichnet sind.

* In Anlehnung an die von Leonard Koren vorgenommene Klassifizierung Wabi-Sabi-typischer Eigenschaften (Koren, 2004).

Das können abgenutzte Möbelstücke oder verwittertes Holz sein, oder Keramik mit Patina. Auch ein Portrait mit dem durch Alter und Erfahrung gezeichneten Gesicht eines Menschen kann ein geeignetes Wabi-Sabi Motiv sein. Weiterhin können sich eine stillgelegte Industrieanlage, eine rostige Maschine oder ein verdorrter Baum als typische Motive anbieten. Schnittmengen zur heute beliebten Urbex- bzw. "Lost Place-" Fotografie ergeben sich mit der Bebilderung von verlassenen Gebäuden und den Spuren der Generationen von Menschen, die dort einmal lebten. Eine Wabi-Sabi Fotografie wird dabei aber auf Spektakuläres verzichten, sich tendenziell auf Details beschränken und deren Ästhetik ohne entlarvendes Blitzlicht, ohne Superweitwinkel-Brennweiten oder extreme Kamerastandpunkte festzuhalten suchen. Dabei drängt sich die Frage auf, ob ein solches "Festhalten" eines potentiell veränderlichen Zustandes nicht dem ureigensten Wesen des Wabi-Sabi widerspricht. Dem kann man entgegenhalten, dass auch das Foto selbst ja einem Prozess des Alterns, Vergilbens und Ausbleichens unterworfen ist. Dieser Aspekt lässt sich etwas holperig sogar auf digitale Bilddateien übertragen, wenn man an die begrenzte Lebenszeit von Speichermedien oder bildinterpretierender Software denkt, oder an die "Gebrauchsspuren" von jpg-Bilddateien, bei denen jede Bearbeitung eine schlechtere Bildsubstanz zurücklässt als vor dem Eingriff. Spätestens als ausgedrucktes Bild reiht sich auch die digitale Fotografie wieder bei den Wabi-Sabi adäquaten Medien ein. Dabei ist die vermeintliche Konservierung von Vergänglichem mittels Fotografie prinzipiell unvollkommen. Das Bildnis eines Wabi-Sabi Objektes dokumentiert in einer Momentaufnahme dessen temporären Zustand und schafft durch sich selbst ein neues Objekt, dass wiederum selbst dem stetigen physischen Wandel unterliegt. 

Analog, digital und mit KI – Wabi-Sabi in der Fotografie: Teeschale auf altem Holzteller, erstellt mit künstlicher Intelligenz, midjourney, www.bonnescape.de
Im Kornfeld. Nikon Z7 mit Jupiter 9, 2.0/85mm. "Analog, digital und mit KI – Wabi-Sabi in der Fotografie", www.bonnescape.de
Junge Pflanzen in der Gärtnerei. Bild aus dem Artikel "Analog, digital und mit KI – Wabi-Sabi in der Fotografie", www.bonnescape.de

Abbildungen oben:

Abb. 5, Teeschale, KI / Midjourney

Abb. 6, Im Kornfeld, digitale Fotografie.

Abb. 7, Jungpflanzen, digitale Fotografie.

 

Abbildung unten:

Abb. 8, Baumstamm mit Lichtreflexen im Laub, digitales Foto.


Baumstamm mit Lichtreflexen im Laub. Bild aus dem Artikel "Analog, digital und mit KI – Wabi-Sabi in der Fotografie", www.bonnescape.de

Künstliche Intelligenz: Kann KI auch Wabi Sabi?

Vielleicht ist dieser Brückenschlag ein Schritt zu weit. Jedoch müssen wir akzeptieren, dass auch KI-generierte Bilder eine erstaunliche Annäherung an die Wabi-Sabi Bildsprache erreichen können. Die Überlegung hat schon fast etwas Obszönes, aber derartige Bilder verschaffen der Vorstellung, etwas "unbeeinflusst geschehen zu lassen" in gewisser Weise eine Entsprechung, da sie sich in ihrem Entstehungsprozess einer konkreten menschlichen Einflussnahme weitgehend entziehen. Selbstverständlich ist dieses "Geschehen lassen" im Sinne einer Abgabe der Kontrolle an Algorithmen kein "natürlicher" Prozess im eigentlichen Sinne. Während Wabi-Sabi den natürlichen Wandel des Gezeigten im Verlauf eines längeren Zeitraums thematisiert, schaffen Online-Werkzeuge aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz – geeignete Anweisungen (sog. "prompts") vorausgesetzt – innerhalb weniger Sekunden fotorealistische Abbildungen von visuell interessanten Dingen mit einer vermeintlichen Geschichte, die aber fiktiv ist. Kann das dem Konzept von Wabi-Sabi noch gerecht werden? Oder kommt es letztlich nur auf das Bildergebnis an, und darauf, wie gut die Ästhetik des Wabi-Sabi visuell transportiert wird? Weiter gefragt: Kann ein vermeintlich dokumentierendes Bild wichtiger sein als das, was es zu dokumentieren scheint, wenn die auf diese Weise transportierte Bildaussage passt? Mit einem selektiven Blick auf das Ergebnis und dem Ausblenden des Entstehungsprozesses scheint eine Annäherung von Fotografie und künstlich generiertem Bild möglich. So vermittelt die "echte" Fotografie einer alten, beschädigten Teekanne vielleicht ein Beispiel für die Schönheit alter Gebrauchsgegenstände. Dabei ist von geringerer Relevanz, ob die Kanne zum Zeitpunkt der Bildbetrachtung noch existiert. Das von der KI geschaffene Bild kann derartige Schönheit ebenfalls ausdrücken, nur mit dem Unterschied, dass es die gezeigte Kanne in dieser Form in aller Regel niemals gegeben hat.

Dieser Versuch einer ergebnisfokussierten
Annäherung von Fotografie und KI-generierten Bildern, bei der die Grauzone von hybriden Ansätzen in der Postproduktion digitalisierter Fotos einer besonderen Berücksichtigung bedarf, sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine weitergehende Diskussion, auf welcher Grundlage menschengemachte und künstlich erstellte Bilder ähnlich bewertet werden können, auf nahezu allen relevanten Bedeutungsebenen noch geführt werden muss. 

Porzellan-Teekanne und Vase im Sonnenschein am Fenster. KI-Bild aus dem Artikel "Analog, digital und mit KI – Wabi-Sabi in der Fotografie", www.bonnescape.de
Alte Keramik im Lost Place Bauernhaus. Bild aus dem Artikel "Analog, digital und mit KI – Wabi-Sabi in der Fotografie", www.bonnescape.de
Altes Fahrrad, Dorfgasse, Java. Bild aus dem Artikel "Analog, digital und mit KI – Wabi-Sabi in der Fotografie", www.bonnescape.de
Altes Fahrrad, Dorfgasse, Java. Künstlich generiertes Bild aus dem Artikel "Analog, digital und mit KI – Wabi-Sabi in der Fotografie", www.bonnescape.de

Abbildungen oben:

Abb. 9, Teekanne auf Fensterbank, Landhaus, KI / Midjourney.

Abb. 10, Keramik auf altem Holztisch, KI / Midjourney.

Abb. 11, Fahrrad an der Hauswand, Indonesien, digitales Foto.

Abb. 12, Dorfgasse mit FahrradKI / Midjourney.


Ist jedes Bild von etwas Altem Wabi-Sabi?

Nicht jede Abbildung eines alten, beschädigten oder mit Gebrauchsspuren versehenen Gegenstandes entspricht zwangsläufig dem Wabi-Sabi Konzept. Entscheidend ist, inwieweit es gelungen ist, die Schönheit und Ästhetik des Gezeigten abstrahierend, d.h. in einer Reduktion auf Wesentliches hervorzuheben. Ein Beispiel dafür wäre ein Foto, das den Zustand und den Verfall eines verlassenen Gebäudes ungeschönt und realistisch dokumentiert. Eine Wabi-Sabi Fotografie im gleichen Gebäude könnte versuchen, die Details und Texturen des verwitterten Mauerwerks, die ungleichmäßige Verteilung der Farbe oder die Verfärbungen durch Witterungseinfluss in einem natürlich wirkenden, ansprechenden Licht zu zeigen. Um diese Natürlichkeit des Gezeigten noch zu betonen, könnten ein oder mehrere der oben geschilderten Gestaltungsmittel zur Anwendung kommen. Zudem wäre die Bildkomposition einer derartigen Fotografie bevorzugt asymmetrisch, denn Symmetrie wird allzu leicht zum Ausdruck von Perfektion.

Abbildungen rechts:
Abb. 13, Rostige Armaturen, Industrieanlage, digitales Foto.

Abb. 14, Gestapelte Dachziegel, digitale Fotografie.

Abb. 15, Kornähren, analoge Fotografie.

Rostige Armaturen in einer Industrieanlage. Bild aus dem Artikel "Analog, digital und mit KI – Wabi-Sabi in der Fotografie", www.bonnescape.de
Alte gestapelte Dachziegel, Bauernhaus, Java. Bild aus dem Artikel "Analog, digital und mit KI – Wabi-Sabi in der Fotografie", www.bonnescape.de
Kornähren. Sinar F mit 4.5/21cm Heliar. Bild aus dem Artikel "Analog, digital und mit KI – Wabi-Sabi in der Fotografie", www.bonnescape.de

Blick auf das Werk ausgewählter Fotografen

Wabi-Sabi ist selbst keine Kunstrichtung, sondern eine Art der Wahrnehmung (Hurni, 2020), die im Laufe der Zeit weltweit Kunst, Architektur und Design beeinflusst hat. So haben Fotografen die Ästhetik des Wabi-Sabi auf unterschiedliche Weise in ihre Arbeit integriert und gezeigt, dass die Schönheit der Vergänglichkeit und Unvollkommenheit gerade auch mit fotografischen Mitteln visualisiert werden kann. Hier ein paar Beispiele:

  • Fan Ho - Die ausdrucksstarken Straßenfotografien aus dem Hongkong der 1950er und 1960er Jahre zählen zu den bekanntesten Arbeiten des chinesischen Fotografen. Seine Bilder zeigen das alltägliche Leben einschließlich verfallener Gebäude und Gassen, die er stimmungsvoll und lichtdurchflutet inszeniert. Der Vielfalt und gestalterischen Dichte von Fan Ho's Bildern kann man mit zwei Sätzen kaum gerecht werden. Ich empfehle einen Besuch seiner umfangreich bebilderten Webseite. 
  • Die amerikanische Fotografin Ruth Bernhard hat sich mit Nahaufnahmen von vergänglichen Objekten wie Blumen, Muscheln und verlassenen Schneckenhäusern beschäftigt und diese in einem intensiven Spiel aus Licht und Schatten oftmals als Makroaufnahmen inszeniert. Leider gibt es keine eigene Webseite zu ihren Fotografien. Ihre Arbeiten sind aber in diversen Bildbänden publiziert worden und sind im Netz auf den Seiten verschiedener Verlage und Galerien zu finden.
  • Die Urbex-Arbeiten von Matthias Haker sind in diesem Kontext ebenfalls interessant, obwohl sie von ihrem Bildstil her keine Wabi-Sabi Fotografie sind. Der deutsche Fotograf zeigt mit einem oft zentralperspektivischen Blickwinkel verlassene, ehemals repräsentative und reich verzierte Gebäude, die sich in einem Zustand starken Verfalls befinden, und verleiht seinen Bildern mittels erhöhter Farbsättigung, extremer Detailschärfe und HDR-Technik eine grafische, künstliche Wirkung. 
  • Michael Kenna ist ein bekannter britischer Fotograf. Viele seiner schwarzweißen Bilder zeigen knorrige Bäume, verwitterte Statuen, Überreste von ins Wasser führenden Holzstegen und verlassene Orte, die von der Zeit gezeichnet sind.
  • Jana Mänz ist Fotografin und Buchautorin. Ihre Naturaufnahmen zeigen eine Affinität zu Wabi-Sabi Themen. Jana März hat auch ein e-Book zum Thema herausgegeben, das ich unten als Quelle aufführe.
  • Die Fotografien von Michael Schnabel zeigen die besondere Ästhetik von Orten, die ihre Wirkung auch durch den Aspekt der Verlassenheit erhalten: Leerstehende vergitterte Ställe in alten Zoogebäuden, grafisch reduzierte Schwarzweißaufnahmen von Bäumen in verschneiter Landschaft, Gebirgslandschaften und Stadtarchitektur in fast völliger Dunkelheit, Aufnahmen von Wolken und Bäumen mit der Lochkamera zeigen oftmals eine Wabi-Sabi Attitüde.
  • John Sexton hat eindrucksvolle Schwarzweiß-Fotografien von Landschaften und Architektur geschaffen. Neben anderen Motiven zeigen seiner Bilder Landschaften mit knorrigen Bäumen, natürliche Felsformationen, die durch die Elemente geformt wurden, oder formal reduzierte Interieuraufnahmen aus verlassenen Goldgräber-Siedlungen.
  • Schwerpunktthema von Hiroshi Sugimoto's Fotografien scheinen moderne Architektur, japanisches Interieur und moderne skulpturale Objekte im architektonischen Umfeld zu sein. In seinen Bildern finden sich aber auch reduzierte Aufnahmen von Fossilien oder zentralperspektivische Architekturaufnahmen alter Opernhäuser, die Wabi-Sabi Einfluss erkennen lassen.
  • Lena Weisbek ist eine deutsche Fotografin, die sich offen zur Wabi-Sabi Ästhetik bekennt. Die gut gemachte Webseite gefällt mit ruhigen, wohlgestalteten Schwarzweiß-Fotografien von verschneiten oder nebligen Landschaften, minimalistischen Naturdetails und abstrakten Seascape-Kompositionen.
  • In den Arbeiten von Minor White finden sich Fotografien von verwitterten Oberflächen, Holzfassaden, zerfurchten Felsformationen und anderen vom Alter gezeichneten Objekten.
Bauliche Details mit Dachziegeln, Wandziegeln und Bambus, Java. Nikon D500. Bild aus dem Artikel "Analog, digital und mit KI – Wabi-Sabi in der Fotografie", www.bonnescape.de

Abb. 15, Bauliches Detail mit Ziegeln und Bambus, digitale Fotografie.

Lässt sich mit Wabi-Sabi Fotografie Geld verdienen?

Es gibt kommerzielle Nischen für Wabi-Sabi Fotografie. Nicht ohne Grund betreiben (auch einige der oben vorgestellten) Fotografen im Verbund mit ihren Webseiten Online Shops, in denen einschlägige Vergrößerungen erworben werden können.

Wir sind täglich einem Bombardement von künstlichen optischen Reizen ausgesetzt, die um unsere Aufmerksamkeit buhlen. Aus diesem Überangebot an visuell lautstarken Bildern resultiert eine Nachfrage nach Bildern, die eine natürliche Schönheit und Einfachheit ausstrahlen und unsere Augen mit einer unaufgeregten, klaren Formensprache zur Ruhe kommen lassen. Folgerichtig gibt es auch im Bereich von Dekoration und Interieur Vermarktungsmöglichkeiten für Wabi-Sabi Fotografie. Bilder, die die Schönheit von verwittertem Holz, verrostetem Metall oder rissigem Beton zeigen, können eine interessante Ergänzung zu modernen und minimalistischen Einrichtungsstilen sein.* In der Anzeigenwerbung und im POS, zum Beispiel für die Wellness- oder Naturkosmetik-Branche, können Wabi-Sabi Fotografien von Steinen oder Pflanzen verwendet werden, um die Natürlichkeit von Produkten zu betonen.  

Ob dies künftig noch der Fall sein wird, wird man beobachten und an der Entwicklung und Verfeinerung einschlägiger KI-Tools festmachen müssen. Die hier im Beitrag gezeigten Beispiele für künstlich generierten Fotorealismus mit Wabi-Sabi Anlehnung sind noch nicht optimal, aber nach Eingabe der passenden Prompts binnen Sekunden entstanden. Angesichts der rasanten technischen Entwicklung ist davon auszugehen, dass die Leistungsfähigkeit solcher Werkzeuge sehr zeitnah weiter zunehmen wird.

* Hurni warnt aber davor, den Minimalismus modernistischer Kunst mit Wabi-Sabi zu verwechseln (Hurni, 2020).

Klaus Schörner / www.bonnescape.de / © 2023

Bebilderung z.T. analog, digital und KI (Midjourney)

Literaturverzeichnis:

  • Hurni, A. (2020). Texte zur Fotografie: Wabi und SabiOnline verfügbar unter https://www.andreashurni.ch/aesthetik/wabisabi.htm [zuletzt abgerufen am 27.11.2023]
  • Koren, L. (2004). Wabi-sabi für Künstler, Architekten und Designer. Tübingen: Wasmuth Verlag.  
  • Podzimek-Horinouchi, N., Mänz, J. & Brooks-Dammann, S. (2017). Wabi-Sabi Fotoschule – Die Schönheit der Fotografie [eBook]

 


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Kommentare: 12
  • #1

    Sanne (Freitag, 20 Oktober 2023 09:53)

    Ich bin ein wenig erschrocken wie realistisch diese KI-Bilder aussehen. Kann man überhaupt von Fotos reden obwohl sie so aussehen? Eigentlich doch nicht oder? Ich bin mir noch nicht sicher ob das Wabisabi ist. Ich kenne wabisabi und mag solche Bilder sehr. Aber ist die bHerstellung wirklich egal? Lesenswerter Artikel der mich zum Nachdenken bringt.

  • #2

    Lars Becker (Freitag, 20 Oktober 2023 23:37)

    Ne, KI ist per Definition keine Fotografie, weil nicht mit "Licht gemalt" wird. Nicht so einfach, wenn Fotos und KI-Produkte gleich echt nach Foto aussehen. Ich habe in meinem Büro ein wabisabi-Poster mit Kieselsteinen an der Wand hängen. Sieht aus wie ein Foto, kann aber auch Ki sein. Ist mir egal. Ich mag es.

  • #3

    Alexaka (Samstag, 21 Oktober 2023 00:12)

    Inspirierend. Danke schön!

  • #4

    Michael Böhmer (Sonntag, 22 Oktober 2023 18:04)

    Ich finde die Gegenüberstellung von Bildern unterschiedlicher Herkunft zu einem gemeinsamen Thema aufschlussreich. Leider gerät die interessante Einführung in Wabisabi neben dem Konflikt rund um KI fast in den Hintergrund. Beim Schaffen von Bildern ist mir wichtig, wie ich mich selbst dabei fühle. ich würde mich an so ein Thema nur mit einer Filmkamera heranwagen. Ich meine, dass sich das dann auch in meinen Bildern spiegelt.
    Liebe Grüße
    Michael

  • #5

    Luis (Sonntag, 22 Oktober 2023 19:59)

    Der Name wabi sabi war mir bisher unbekannt. Die Idee, in diesem Style zu fotografieren, reizt mich aber. Vielleicht komme ich so mal zu anderen Motiven. Ich werde es auf jeden Fall ausprobieren und bei Gelegenheit mal in Omas Keller nach alten Fotoobjekten suchen.

  • #6

    Luis (Sonntag, 22 Oktober 2023 20:03)

    Was für eine Kamera/Objektiv empfiehlst du für wabisabi Fotos?

  • #7

    Klaus (admin) (Montag, 23 Oktober 2023 08:41)

    Vielen Dank für eure Kommentare.
    @Luis: Das lässt sich im Prinzip mit jeder Kamera machen. Gerade auch ältere Objektive mit unvollkommenen Abbildungseigenschaften können sich für solche Bildideen (siehe Bilder 4,6,8) gut eignen.

  • #8

    Eva Baumann (Freitag, 27 Oktober 2023 16:12)

    Gerade der Herbst bringt mit bedecktem Himmel, vergilbendem Laub und regennassen Wegen viele typische Motive. Ich nehme dann gern die Pentacon Six mit. Die Kamera hält mich zu langsamem und überlegtem Fotografieren an. Ich könnte mir nicht vorstellen, wabisabi-Bilder mit einer ritschratsch-Kamera oder am Computer zu machen. Vielleicht wäre es für die Leute die meine Bilder sehen das gleiche. Für mich selbst wäre es aber nicht das gleiche. Vielleicht ist das dann mehr "prozessorientiert" als "ergebnisorientiert". Das macht aber nichts, ich fotografiere ja zum Spaß. Ich finde übrigens eine Telelinse besser, weil ich nicht so viel aufs Bild bringen möchte.

  • #9

    Michael Zober-Frede (Sonntag, 19 November 2023 16:06)

    Mich als Fotograf, beschäftigt seit langer Zeit der Minimalismus in der Fotografie. Die Frage ob und wann bzw. wie die KI mit dieser Art der Fotografie Geschäftsfelder erobert, stellt sich mir nicht.
    Die oben genannten Fotografen wie zum Beispiel Michael Kenna nutzen WABI-SABI um zur eigenen inneren Ruhe zu finden. Es ist auch für mich eine besondere Art der Meditation und erst in zweiter Linie ein kommerzieller Aspekt.
    Somit wird die KI Resultate produzieren die evtl. als IKEA Poster Abnehmer findet. Einen Wert im herkömmlichen Sinne wird sie nicht transportieren können.

  • #10

    Tim Schwabe (Mittwoch, 22 November 2023 09:07)

    Michael, dabei geht es dann nicht mehr um Fotografie als Medium oder kommerzielles Objekt, sondern um Fotografieren als Meditation oder zur Eigentherapie. Das ist dann mehr ein ganz persönlicher Wert, oder? Die Schlussfolgerung mit Ikea verstehe ich dabei nicht. KI erobert sich ja jetzt schon ein breites Feld der Wertschöpfung in der Werbung.

  • #11

    Vohsen, Lothar (Freitag, 24 November 2023 10:31)

    Fotografieren zur "Selbstbefriedigung" ist wohl das, was wie heute die Analogfotografie bleiben wird, wenn KI erst alle kommerziellen Bildproduktionen durch schnellere, billigere und automatisierte Prozesse ersetzt hat.

  • #12

    Tim Schwabe (Samstag, 25 November 2023 10:54)

    Ein Hobby wie Heimwerken, Stricken oder Häkeln, aber mit höchstem Qualitätsstandard?