Togog & Semar

Bildbesprechung: Völkerkundliche Objekte

Zwei Spielfiguren aus dem javanischen Figurentheater. Copyright by Klaus Schoerner

Kunstwissenschaftliche Fotografie beschäftigt sich mit der Abbildung von völkerkundlichen Gegenständen und Kunstobjekten. Da es vor allem um eine realistische Wiedergabe z.B. für wissenschaftliche Dokumentationen, Ausstellungs- oder Auktionskataloge geht, sind dem künstlerischen Spielraum des Fotografen Grenzen gesetzt. Aufgabe ist es, zunächst die körperlichen Besonderheiten des Gegenstands im Foto sichtbar zu machen. Der Reiz liegt allerdings darin, zusätzlich Informationen in die Abbildung einfliessen zu lassen, die dem Betrachter mehr vermitteln als die handwerklich perfekte Abbildung des reinen Äußeren. Anhand eines Beispiels möchte ich zeigen, was damit gemeint ist.

Das Beispielfoto zeigt zwei antike Stabfiguren aus dem javanischen Figurentheater Wayang Golek, die die mythischen Brüder Togog und Semar darstellen. In der Vorstellungswelt des javanischen Volksglaubens gilt vor allem Semar (rechts) als ein halbgöttliches Wesen und genießt große Verehrung. Als gerne aufgegriffenes Motiv begegnet man ihm in einer Vielzahl von künstlerischen Ausdrucksformen wie Schatten- und Figurentheater, Tanzdrama, Batik, Gemälde- und Schnitzkunst. Traditionell gelten beide Brüder zusammen mit einigen anderen als Personifizierung der alten prähinduistischen Naturgottheiten, die schon in den Wandreliefbildern der bis heute erhaltenen Tempelbauten aus der hindujavanischen Zeit anzutreffen sind. Der Überlieferung nach lebten sie als scheinbar einfache Diener und Spaßmacher unter den Menschen weiter, während das hinduistische Pantheon in den Götterhimmel einzog und in seiner Bedeutung schließlich von dem sich verbreitenden islamischen Glauben überlagert wurde.

 

Im Wayang-Theater unterstützt der halbgöttliche Semar in Gestalt eines Dieners stets die positive Partei, während Togog in ähnlicher Funktion die Gegenseite begleitet. In der bipolaren Weltanschauung des indonesischen Wayang ist die rechte Seite die positive, von der aus die edlen Charaktere die Bühne betreten. Die linke Seite dagegen ist die der aggressiven dunklen Mächte, die das harmonische Gleichgewicht der Welt zu kippen versuchen.

Zwei Spielfiguren aus dem javanischen Stabpuppentheater. Copyright by Klaus Schoerner

Oben: Togog & Semar, antike Stabpuppen aus dem javanischen Figurentheater Wayang Golek. Aufgenommen mit Mamiya RB67 Pro S, Sekor C 4,5/180 mm, auf Ilford FP4, Entwicklung in Perceptol, Epson Scan.

Folgerichtig kommt hier im Bild die Lichtführung von rechts. Die Ausleuchtung erfolgte mit einer 30x70 cm Softbox, deren Licht das Gesicht des erleuchteten Semar als hellsten Bildbereich hervorhebt, als Streiflicht die Konturen seiner lichtabgewandten Gesichtshälfte betont und dann auf seinen Bruder Togog fällt. Togog steht nicht nur etwas niedriger und im Schatten seines Bruders, er ist auch von diesem abgewandt, schaut zur linken, dunklen Seite, während die Licht- und Schattenführung seine charakteristische, affenähnliche Physiognomie plastisch herausarbeitet und in Anlehnung an das Schattentheater partiell zur Silhouette werden lässt. Togogs Armhaltung mit der Handkante auf dem linken Unterarm symbolisiert den Bruch zwischen den beiden ungleichen Brüdern. Als Hintergrund wurde eine neutralgraue Fläche gewählt, die von zwei weiteren Lichtquellen homogen ausgeleuchtet wird. Nichts soll von den beiden Gestalten im Vordergrund ablenken, deren voluminöse Plastizität durch das kontrastreiche Streiflicht betont wird.

Copyright 2017 by Klaus Schörner / www.bonnescape.de


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