Leica Shift vs. Nikon Shift

Test: Leica Shift vs. Nikon Shift im Architektureinsatz

Vergleich zweier Aufnahmekombinationen bei einem Architekturmotiv. Foto: Klaus Schoerner

Ein Architektur-Fotoshooting am Rande eines aus mehreren Gebäuden bestehenden, industriellen Gebäudekomplexes. Getestet werden zwei sehr unterschiedliche Kamerasysteme und zwei Shift-Objektive im direkten Vergleich. Die LEICA M9 mit dem PC-Super-Angulon-R 2,8/28 mm muss sich gegen die NIKON D4 mit dem PC-E Nikkor 24 mm 1:3,5D ED beweisen. Welche Kamera-/Objektiv-Kombination bringt die bessere Bildqualität?

Um meinen Geräte-Fundus für meine Art der Fotografie zu optimieren, verwende ich gelegentlich Zeit dafür, Fotogeräte, die ich bereits besitze oder die für einen Erwerb in Frage kommen, nach den für mich relevanten Kriterien im praktischen Einsatz zu vergleichen. Der nachfolgende Bericht ist kein objektiver, umfassender und mit wissenschaftlichem Anspruch betriebener Test, sondern schildert auszugsweise meine Beobachtungen während der Aufnahmen und bei der Sichtung und Nachbearbeitung der Bildergebnisse.

Vorstellung der Kontrahenten

Die LEICA M9 ist eine Messsucherkamera ohne Lifeview, die sich bauartbedingt nicht gerade als Musterbeispiel für effiziente Bildgestaltung mit einem Shift-Objektiv anbietet. Wie ich aber früher bereits gezeigt habe, kann diese Einsatzweise in Ausnahmefällen dennoch Sinn machen. Mit dem PC-Super-Angulon-R 2,8/28 mm existiert aus analogen LEICA R Zeiten ein Weitwinkel-Shift-Objektiv, das trotz seines vergleichsweise hohen Alters (Einführung 1988) unter Verwendung eines NOVOFLEX-Adapters mit dem M9-Sensor gut harmoniert und zu moderaten Preisen und mit ausreichender Verfügbarkeit auf dem Gebrauchtmarkt erhältlich ist.

Das Super-Angulon bietet die Möglichkeit der Shift-Verstellung in alle Richtungen. Der vordere Objektivteil kann dazu um 360° gedreht werden. Die mechanische Verarbeitung ist hervorragend mit sauberer Rastung an der Nullstellung und den 45°-Drehschritten sowie mit weicher und präziser Verstellung über eine weit herausragende gerändelte Einstellschraube. Dank der Untersetzung des Verstellgetriebes bleibt der einmal gewählte Shift-Wert exakt bestehen ohne die Gefahr einer Eigenverstellung durch schwerkraftbedingtes Absinken des vorderen Objektivteils. Die LEICA verfügt über einen Sensor mit effektiv 18 Megapixeln, der Bildwinkel des 28er Super-Angulon beträgt 73° und nutzt bei maximalem Verstellweg von +-11 mm einen Bildwinkel von etwa 90°. Zu dem Problem der Filterverwendung bei diesem Objektiv habe ich bereits berichtet.

Aufnahmekonfiguration für den Vergleichs-Test: links Leica M9 mit PC-Super-Angulon-R 2,8/28 mm, rechts NIKON D4 mit dem PC-E Nikkor 24 mm 1:3,5D ED. Beide sind montiert auf einem MANFROTTO 161B mit GIOTTOS MH-3000 Kugelkopf. Foto: Klaus Schoerner

Unten: Die Testkomponenten für den Einsatz der LEICA M9 mit dem PC-Super-Angulon-R 2,8/28 mm und für die NIKON D4 mit dem PC-E Nikkor 24 mm 1:3,5D ED.

Das in einem früheren Post bereits kurz vorgestellte PC-E Nikkor 24 mm 1:3,5D ED wurde 2008 eingeführt. Somit liegen 20 Jahre zwischen den beiden Objektivkonstruktionen. Die Bauform des Nikkor ermöglicht grundsätzlich Shift-Verstellungen in allen Richtungen. Allerdings lässt sich der vordere Objektivteil nur um 180° drehen, wobei jeweils 30°-Drehschritte gerastet sind. Eine echte Einschränkung bei der Bedienung kann ich dabei nicht erkennen, da dies mit einem Minus-Shift leicht ausgeglichen werden kann. Zusätzlich bietet das PC-E im jeweils rechten Winkel zur Shift-Strecke eine Tilt-Verschwenkung der Objektivachse. Arbeite ich also zum Beispiel mit vertikalem Shift, etwa um beim Foto eines hohen Gebäudes stürzende Linien auszugleichen, funktioniert eine Verschwenkung im gleichen Foto, beispielsweise zur Verlagerung der Schärfeebene, dann nur horizontal. Man kann das an seinem Exemplar werksseitig umbauen lassen, so dass Tilt und Shift in der gleichen Dimension agieren, man verliert dann aber natürlich die entgegengesetzte Dimension. Im Vergleich zu entsprechenden Produkten anderer Hersteller, die ein voneinander unabhängiges Shiften und Tilten zulassen, kann diese Kopplung der Verstellbarkeit beim Fotografieren eine gravierende Einschränkung bedeuten. Bei dem vorliegenden Motiv und dem Vergleich mit der Kontrahentin, die gar keine Tilt-Option bietet, spielt das heute keine Rolle. Für beide Einstelloptionen stehen beim Nikkor je eine gerändelte Einstellschraube und je eine Feststellschraube zur Verfügung. Letztere soll eine Selbstverstellung durch das Eigengewicht des vorderen Objektivteils verhindern. Die Rändelknöpfe der Feststellschrauben sind recht klein ausgefallen, so dass je nach Witterungsbedingungen ein Lösen und Festdrehen mit klammen Fingern oder Handschuhen zum Problem werden kann. An der NIKON D4 mit Spiegelsucher und Lifeview lässt sich das PC-E ansonsten komfortabel einsetzen. Die Form des Kameragehäuses und hier speziell der Prismensucher und der eingearbeitete Griff stellen keine physikalische Beschränkung für die Shift-/Tilt-Wege des PC-E dar, wie das bei kompakteren NIKON-Kameras mitunter der Fall ist.

Die Sensorauflösung der NIKON beträgt 16,2 Megapixel. Das 24er NIKKOR bietet einen Bildwinkel von 84° und bringt daher mehr Umgebung aufs Bild als das Super-Angulon. Bei maximalen Verstellwegen von +-11,5 mm wird ein Bildwinkel von 101° genutzt. 

Die Test-Bedingungen

Ich betreibe beide Kameras kurz hintereinander auf ein- und demselben Stativ, einem stabilen MANFROTTO 161 mit GIOTTOS MH-3000 Kugelkopf. Um Unschärfen durch Verwacklung bei der Aufnahme auszuschließen, belichte ich bei der D4 mit Spiegelvorauslösung und Kabelauslöser über die elektronische Kameraschnittstelle sowie bei der M9 per in den Auslöseknopf eingeschraubtem Drahtauslöser. Da ich testen möchte, mit welchem Objektiv ich unter Idealbedingungen die bessere Bildqualität erreiche, schließe ich von vornherein alle Blendenwerte aus, die bei den beiden Objektivtypen bekanntermaßen zu suboptimalen Ergebnissen führen. Die Objektivöffnung bei den Testaufnahmen liegt also ausschließlich bei den Blenden 11 und 16. 

Die Aufnahmen beider Systeme erfolgen im Raw-Modus. Die M9 bietet die Möglichkeit einer kameraeigenen Profilierung für hauseigene M-Objektive, nicht jedoch für adaptierte Leica R-Optiken. Entsprechend der Empfehlung von Manolo Laguillo für das Super-Angulon verwende ich bei den hier gezeigten Fotos das für das Noctilux vorgesehene Objektivprofil. 

Die erzeugten Daten werden in LIGHTROOM ausentwickelt und als TIF exportiert, um in PHOTOSHOP einer finalen Detailschärfung unterzogen zu werden. Der Export in diesen Post erfolgt unter gleichen Komprimierungsbedingungen als JPEG. Da einerseits das erreichbare Endergebnis präsentiert werden soll, andererseits die finale, individuelle Bildschärfung den Vergleich beeinflussen kann, zeige ich sowohl Bilder vor als auch nach der finalen Schärfung.

Architekturfoto mit Leica M9 und PC-Super-Angulon-R 2,8/28 mm. Foto: Klaus Schoerner

Oben: Bildergebnis aus der Leica M9 mit dem PC-Super-Angulon R 2,8/28 mm. Adaptierung mittels NOVOFLEX LEM/LER-Adapter. Parallelausrichtung der Kamera mit ca. 6 mm Vertikal-Shift nach oben, um stürzende Linien auszugleichen.

Unten: Foto von der gleichen Position aus mit der NIKON D4 und dem PC-E Nikkor 3,5/24 mm mit entsprechender Shift-Strecke.

Beide Fotos wurden ohne Tonwert- oder Verzeichnungskorrekturen lediglich standardmäßig in LIGHTROOM entwickelt sowie in PHOTOSHOP ausgefleckt (Sensorstaub) und adäquat geschärft.

Architekturfoto mit NIKON D4 und PC-E Nikkor 24 mm 1:3,5D ED. Foto: Klaus Schoerner

Welches Shift-Objektiv bringt die bessere Bildqualität?

Generelle Beobachtungen: Die Bilder beider Kontrahenten vermitteln für sich betrachtet einen natürlichen Farb- und Kontrasteindruck. Die Fotos aus der LEICA mit dem Super-Angulon sind jedoch geringfügig heller und zeigen eine etwas rötlichere Farbtendenz, was auf mich gefälliger wirkt als die leichte Cyan-Tendenz der NIKON-Fotos.

Vignettierung: Bei moderaten Verstellungen wie für die Fotos oben arbeiten beide Objektive vignettierungsfrei. Beim extremen querformatigen Horizontal-Shift bis zum Anschlag dunkelt das Super-Angulon zum Rand hin zunehmend ab, was im Rahmen der Bildnachbearbeitung aber behoben werden kann. Das Nikkor dagegen verstellt beim horizontalen Shift am Anschlag über seinen Bildkreis hinaus, was sich durch deutliche Vignettierung in den Ecken bemerkbar macht. Hier hilft nur noch Beschnitt oder die Vermeidung von Shift-Einstellungen über +-10 mm. 

Verzeichnung: Beide Objektive neigen generell bei randnahen vertikalen Linien zu einer geringfügigen tonnenförmigen Verzeichnung. Beim Shift bis zum Anschlag zeigt das Super-Angulon am Rand sehr deutliche Verzeichnungen, die in der Nachbearbeitung kaum korrekturfähig sind. Bei Motiven mit geraden Kanten wie in der Architekturfotografie wird man hier beschneiden oder extreme Shift-Einstellungen vermeiden müssen. Das Nikkor bildet im extremen Randbereich realistischer ab. 

Vergleichs-Test im extremen Randbereich: links Leica M9 mit PC-Super-Angulon-R 2,8/28 mm, rechts NIKON D4 mit dem PC-E Nikkor 24 mm 1:3,5D ED. Foto: Klaus Schoerner

Oben: Im Gegensatz zu den eingangs gezeigten Fotos habe ich hier einen extremen Horizontal-Shift durchgeführt, um den maximal möglichen Verstellgrad auszutesten, wie er z.B. für ein Stitch-Panorama von Interesse sein kann. Da ich nicht gleichzeitig vertikal shiften kann, erscheint das Gebäude nun mit stürzenden Linien. Links der Randbereich aus dem bis zum Anschlag geshifteten Super-Angulon. Es zeigt sich eine zum Rand hin zunehmende Abdunklung und eine deutliche Verzeichnung, was besonders an den Kanten rechts oben und rechts unten deutlich wird. Das Nikkor (rechts) verschiebt beim horizontalen Shift über seinen Bildkreis hinaus, was sich durch deutliche Eck-Vignettierung bemerkbar macht. Die Verzerrung ist geringer als beim Super-Angulon.

Scharfzeichnung: Die LEICA erzeugt mit dem Super-Angulon ein Foto, das ohne Nachschärfung, also quasi out of cam, erkennbar detailschärfer ist als das Foto der Kontrahentin aus dem Hause NIKON. Das muss nicht zwangsläufig heißen, dass das Super-Angulon dem Nikkor in der Abbildungsschärfe grundsätzlich überlegen ist. Hier spielen auch die verschiedenen Sensor-Technologien der beiden Kameras eine Rolle. Die M9 kommt ohne einen internen Tiefpassfilter aus und gibt ihre Bilder daher per se schärfer aus als die NIKON, die ihre Fotos zur Moiré-Vermeidung künstlich unschärfer filtert. Die NIKON verfügt allerdings über eine geringere Neigung zum Bildrauschen als die LEICA. Daher verträgt ihr Foto auch im Rahmen der Nachbearbeitung eine deutlich stärkere Nachschärfung, als es bei dem LEICA-Bild möglich wäre und rückt im Endergebnis wieder nah an dieses heran. Sichtbar bleibt die bessere Schärfeleistung der LEICA am Ende nur im Randbereich.

Chromatische Aberrationen: Das LEICA-Foto neigt in den Randbereichen zu magenta- und cyanfarbigen CAs, die im Rahmen der Nachbearbeitung behoben werden können. Beim Nikkor fallen die kaum sichtbaren CAs nicht weiter ins Gewicht.

Bildausschnitt Mitte in 100% Ansicht, ungeschärft: links Leica M9 mit PC-Super-Angulon-R 2,8/28 mm, rechts NIKON D4 mit dem PC-E Nikkor 24 mm 1:3,5D ED. Foto: Klaus Schoerner

Oben: Links LEICA, rechts NIKON, beide ungeschärft. Die links oben von der Bildmitte entnommenen Ausschnitte in 100%-Ansicht zeigen eine bessere Detailschärfe bei der LEICA, allerdings auch eine stärkere Neigung zu CAs.

Unten: Wie oben, jedoch nach dem individuellen Schärfungsprozess, der bei dem NIKON-Foto etwa doppelt so stark ausgefallen ist wie bei dem Foto aus der LEICA. Die Ergebnisse haben sich angenähert. Das aus der LEICA stammende Foto zeigt nur noch geringfügig mehr Details, dafür aber auch ein etwas gröberes Rauschen.

Bildausschnitt Mitte in 100% Ansicht, geschärft: links Leica M9 mit PC-Super-Angulon-R 2,8/28 mm, rechts NIKON D4 mit dem PC-E Nikkor 24 mm 1:3,5D ED. Foto: Klaus Schoerner
Bildausschnitt vom äusserst rechten Rand in 100% Ansicht, geschärft: oben Leica M9 mit PC-Super-Angulon-R 2,8/28 mm, unten NIKON D4 mit dem PC-E Nikkor 24 mm 1:3,5D ED. Foto: Klaus Schoerner

Oben: Oberes Bild LEICA, darunter NIKON, nach Schärfung. Die Ausschnitte vom rechten Bildrand in 100%-Ansicht bescheinigen dem LEICA-Foto eine bessere Detailschärfe im Randbereich.

Zusammenfassung und Fazit

Hinsichtlich seiner mechanischen Verarbeitung hat das PC-Super-Angulon-R 2,8/28 mm gegenüber dem PC-E Nikkor 24 mm 1:3,5D ED die Nase vorn. Das Nikkor ist ungenauer und schwerer zu fixieren, da die Einstellschraube von der Getriebeübersetzung her zu grob arbeitet und die Feststellschraube zu klein geraten ist. Vom Handling her ist die Kombination M9 & Super-Angulon der D4 mit PC-E allerdings insgesamt klar unterlegen. Die Bedienung eines Shift-Objektivs ist naturgemäß umständlich, wenn kein Lifeview zur Verfügung steht und der Messsucher keine Kopplung zur Fokussierung hat und zudem halb vom Objektiv verdeckt ist. Bei der NIKON dagegen machen Lifeview, Spiegelsucher und das optionale Tethered Shooting über ein Notebook, Tablet oder Smartphone die Bildgestaltung komfortabel. Aspekte wie ein eventuell erforderlicher Akku- und Speicherkarten-Wechsel während des Shootings, der bei der D4 seitlich erfolgt, für den die LEICA jedoch vom Stativ geschraubt werden muss, sind zusätzliche Argumente, die beim täglichen Architektureinsatz generell für die DSLR sprechen. Ich will die systembedingten Präferenzen für den einen oder anderen Einsatzbereich aber hier nicht überstrapazieren, da es ja vorrangig um einen Vergleich der Bildqualität gehen soll.

Die mechanisch maximal mögliche Verstellung beider Objektive von +-11 mm bzw. +-11,5 mm ist zumindest bei Architekturmotiven ohne fotografischen Wert. Während das Super-Angulon im äußersten Randbereich heftige Verzeichnungen produziert, geht beim Nikkor ein Shift bis zum Anschlag über den Bildkreis hinaus und führt zu einer ausgeprägten Vignettierung, die die Bildecken unbrauchbar macht. Der tatsächlich verwendbare, maximale Verstellweg ist bei beiden Objektiven also unter dem angegebenen Wert bei höchstens +-9 mm anzusetzen.

Rein auf der Basis des Kriteriums Bildqualität fällt mir eine Entscheidung für die eine oder andere Aufnahmekonfiguration schwer:

Im direkten Vergleich der Bildergebnisse offenbaren beide Objektiv-Kamera-Kombinationen sowohl Stärken als auch Schwächen: Moderate (!) Shift-Verstellungen führen in beiden Fällen zu ordentlichen Ergebnissen mit realistischer, wenngleich leicht unterschiedlicher Farbgebung. Bildschärfe und Detailwiedergabe sind im Endresultat in Ordnung, wobei die Fotos mit der NIKON im Randbereich etwas weicher ausfallen und generell mehr Nachschärfung benötigen, aber auch mehr davon vertragen als die stärker rauschgefährdeten Fotos aus der LEICA. Die geringfügig tonnenförmige Verzeichnung beider Objektive sowie die CAs beim Super-Angulon sind in der Postproduktion korrigierbar. 

Copyright 2017 by Klaus Schörner / www.bonnescape.de


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