Profizeug im Fliegengewicht: Das SIRUI ET-2204 Carbon-Stativ
Eigentlich bin ich ja ein Fan grosser und schwerer Metall-Stative. Aber diese kleinen Dinger aus mehrlagiger Carbon-Faser haben es mir doch angetan. Sehen aus wie massives Profi Equipment, sind fast ebenso stabil und dabei noch schwingungsarm, und wenn man sie hochhebt, ist man überrascht, wie leicht sie sind. Hier berichte ich von meinen Erfahrungen mit dem SIRUI ET-2204 alias KTV224.
Die schnell wachsende Modell- und Bezeichnungsvielfalt bei Carbon-Stativen der bekannten Hersteller ist ein wenig unübersichtlich geworden. Die große Auswahl an adaptierbaren Stativköpfen und Platten-Schnellwechselsystemen macht den Überblick auch nicht einfacher. Das hier beschriebene SIRUI-Stativ läuft in Deutschland unter dem Namen ET-2204, hat in den Niederlanden jedoch die Bezeichnung KTV224. ET steht laut SIRUI für Easy Traveler, womit Einsatzbereich und Zielgruppe seitens des Herstellers klar definiert wären: Das ET alias KTV ist ein Reisestativ. Erworben habe ich das Stativ im September 2015 für 349 € als Set mit Kopf E-20, Schnellwechselplatte TY-50E, 9 cm Verlängerungsrohr für die Mittelsäule in einem eigenen bedruckten Beutel, stabiler Transporttasche, Tragegurt und Inbusschlüssel.
Oben: Das SIRUI ET-2204 / KTV224 bietet kompaktes Packmaß durch intelligente Falttechnik.
Was kann das ET-2204 alias KTV224?
Wie bei einem Reisestativ kaum anders zu erwarten, versucht das SIRUI die Brücke zwischen maximaler Stabilität einerseits und minimalem Gewicht und Packmaß andererseits zu schlagen. Die technischen Daten lesen sich eindrucksvoll: Einem Gesamtgewicht von knapp 1,6 kg mit Kopf und Platte steht eine Belastbarkeit von erwachsenen 12 kg gegenüber, ein Gewicht, dass zumindest keine meiner Reisekameras auch nur annähernd erreicht. Aber dazu später mehr.
Das Packmaß des Stativs beträgt nur 43 cm. Durch das Umklappen der Stativbeine um 180° nimmt das SIRUI den Kugelkopf quasi zwischen die Beine. Für die Größe im zusammengefalteten Zustand ist also unerheblich, ob der Kopf aufgeschraubt ist oder nicht. Sehr smart! Damit passt das SIRUI mit allem drum und dran in meinen mittelgroßen Reisekoffer und ich muss mich während des Fluges nicht mit einem zusätzlichen Gepäckstück belasten. Dabei erreicht das komplett ausgezogene Stativ mit Kopf eine Höhe von 153 cm, was für mich (Körpergröße 184 cm) so gerade eben ausreicht, will ich nicht am Ende eines in gebeugter Quasimodo-Haltung verbrachten Fototages von Rückenschmerzen geplagt werden. Das zusätzlich zwischen Mittelsäule und Kugelkopf eingeschraubte Verlängerungsstück aus dem Lieferumfang schafft sogar komfortable 161,5 cm. Man muss die Verlängerung (oder den Kugelkopf) dann aber abschrauben, damit das SIRUI wieder in die Tasche passt, was ein bisschen umständlich ist. Der Hersteller gibt in der Werbung und in den technischen Daten die Maximalhöhe übrigens mit 155 cm an. Falls das Erreichen dieser Höhe für den Leser von Wichtigkeit ist, sei darauf hingewiesen, dass das bei dem mir vorliegenden Exemplar jedenfalls nicht zutrifft.
Oben: Jedes Stativbein enthält drei Verlängerungen, die durch präzise zupackende, von SIRUI "Flip Leg Lock" genannte Verriegelungen gesichert werden, sowie einen Gummifuß, der durch Drehen den zentralen Edelstahl-Spike herausschraubt.
Das SIRUI ist ein Stativ mit 4 Sektionen. Das heißt, in den Stativbeinen befinden sich je drei Verlängerungen, die nach Lösen der Verriegelungen ausgefahren werden können. Der Rohrdurchmesser der Stativbeine beträgt außen 28 mm, beim untersten ausfahrbaren Element noch 19 mm. Die Verriegelung der Stativbeine erfolgt mit Klapphebeln, die der Hersteller Flip Leg Lock System nennt. An der Stativbasis sind die Beine mit einem stabilen Schließmechanismus versehen, der beim Herunterklappen der Beine sowie bei 90°-Abspreizung einrastet. Damit sind also auch sehr tiefe oder z.B. an Treppenstufen oder Wänden angelehnte Positionen möglich. Das geringe Gewicht des Stativs kann sich dabei allerdings schnell zu Lasten eines soliden Stands auswirken. Das SIRUI steht auf Gummifüßen, aus deren Mitte für den Einsatz auf Gras oder Erdreich Edelstahl-Spikes herausgeschraubt werden können. Zwei der drei Stativbeine sind mit Kälteschutzröhren aus Moosgummi ausgestattet.
Oben: Das SIRUI ET-2204 / KTV224 im Treppeneinsatz. Der Aufbau ist in sich sehr stabil, das geringe
Gewicht bewirkt jedoch einen hohen Schwerpunkt, so dass die Konstruktion nicht besonders
satt auf den Stufen steht.
Selbstverständlich ist die Mittelsäule höhenverstellbar und kann auch umgekehrt eingesetzt werden, um eine besonders tiefe Kamerapositionierung zu ermöglichen. Am unteren Ende der Säule ist ein gefederter Haken angebracht, der zur Befestigung eines Gewichtes verwendet werden kann, um das Stativ zusätzlich zu stabilisieren. Der im Lieferumfang enthaltene, kompakte Stativkopf hat eine mit 36 mm Durchmesser ausreichend große Kugel, um auch kleine Verstellschritte präzise ausführen und fixieren zu können. Der Stativkopf ist mit einer Ausbuchtung für Hochformataufnahmen, einer Nivellierlibelle und einer 360° Panorama-Skala ausgestattet. Die Kopfmontageplatte entspricht der für diesen Stativtyp heute gängigen, kompakten Bauweise. Sie gewährleistet eine saubere Führung der Kamera-Wechselplatte und ist mit der sogenannten Safety Lock Sicherung gegen ein versehentliches Abrutschen ausgestattet. Eine Verstellschraube mit präzisem Feintrieb fixiert die Wechselplatte in der Führung.
Alle Komponenten des Stativs machen hinsichtlich ihrer handwerklichen Verarbeitung einen tadellosen Eindruck. Auch bei maximalem Auszug sitzt eine über 2 kg schwere, große DSLR fest und ohne jedes Spiel auf dem Stativ. Dennoch verwende ich das SIRUI vor allem mit leichteren, reisetauglicheren System- oder Meßsucherkameras, die für einen weniger kopflastigen Schwerpunkt sorgen.
Oben links: Der Kugelkopf E-20 mit Schnellwechselplatte TY-50E. Die Kameramontageplatte wird durch eine Feststellschraube fixiert bzw. gelöst, lässt sich aber erst nach Drücken des roten Entriegelungsknopfes abnehmen.
Fazit nach knapp eineinhalb Jahren
Das ist ein wirklich nettes Ding. Cleveres Konzept. Ordentliche Nutzgröße und dennoch kleines Packmaß. Sehr wertig und sauber verarbeitet. Präzise greifende Schnellverriegelungen, schnell und leicht zu öffnen und dennoch in geschlossenem Zustand absolut fest zupackend. Sehr stabil und trotzdem erstaunlich leicht. Im Außeneinsatz ist das geringe Gewicht ein wesentlicher Pluspunkt, ist zugleich aber auch das einzige echte Manko. Das SIRUI ist zwar in sich hochstabil, steht aber natürlich nicht so satt auf dem Boden wie ein schweres Aluminium-Stativ. Ein kräftiger Windstoß kann es schon mal aus der Position bringen. Die Hakenbefestigung am unteren Ende der Mittelsäule kann helfen, um z.B. eine Fototasche als Stabilitätsgewicht einzuhängen (natürlich nur, wenn diese dann nicht im Wind hin- und herpendelt). Ich habe auch schon mal einen kräftigen Spanngurt vom Motorradgepäck eingehängt und diesen am Boden mit meinem Fuß fixiert. Die Stativtasche aus Cordura-Nylon ist erfreulich stabil und absolut praxistauglich. Lediglich der Reissverschluss der kleinen Innentasche, die sich für die Aufbewahrung der Mittelsäulen-Verlängerung anbietet, ist etwas zart ausgelegt und hat nicht lange gehalten. Das SIRUI hat mich einige Male auf Reisen in den Mittelmeerraum begleitet, liess sich komfortabel transportieren, schnell auf- und abbauen, zeigte sich unempfindlich gegen hohe Temperaturen, Sand und Salzwasser (wenn man von ein wenig Flugrost an den Schraubköpfen der Schnellverriegungshebel absieht) und gab meiner Messsucherkamera sicheren Stand, ohne jemals irgendwelche Probleme zu machen. Mehr kann man von einem Reisestativ eigentlich nicht erwarten.
Copyright 2017 by Klaus Schörner / www.bonnescape.de
Aktualisiert 18.10.2017, Modellbezeichnung des Stativs
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Jens (Freitag, 09 Juni 2017 08:27)
Danke für den Bericht!
SIRUI Europe GmbH (Mittwoch, 18 Oktober 2017 07:13)
Schöner Bericht, nur eine kleine Korrektur haben wir da. Die SIRUI ET-Serie heißt nur in den Niederlanden KTV.
Beste Grüße
H. Fouquet (Produktmanager SIRUI)
Klaus (admin) (Mittwoch, 18 Oktober 2017 13:28)
Hallo Herr Fouquet,
danke für den Hinweis. Tatsächlich habe ich mein Exemplar seinerzeit in den Niederlanden erworben. Ich habe den Text entsprechend angepasst.
Beste Grüße
Klaus Schörner